Straight to Hell — Weg mit den braunen Zonen! Weg mit der AfD!

5. Mai 2016 | 15:00

Straight to Hell!

Weg mit den braunen Zonen! Weg mit der AfD!

Demonstration an Himmelfahrt (Donnerstag, 5. Mai), 15:00 Uhr in Bornhagen/Thüringen.

Born­hagen ist ein Nest im Thüringis­chen Eichs­feld. Dort wohnt nicht nur der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, die wohl unan­genehm­ste Gestalt der an unan­genehmen Gestal­ten nicht ger­ade armen Führungsriege der Partei. Born­hagen ste­ht vielmehr pars pro toto für die Dutzen­den Käf­fer, in denen die Alter­na­tive Fut­terneid, Enthem­mung und Wut­bürg­er­tum heißt. Ver­miesen wir dem Thüringer AfD-Häuptling und seinem Wahlvolk durch unsere bloße Anwe­sen­heit ihr Him­melfahrtsvergnü­gen und sagen: Go straight to Hell!

Spätestens seit den let­zten Land­tagswahlen sind sich alle einig. Selb­st diejeni­gen, die angesichts von Pegi­da, der Nazi-Riots von Fre­ital oder Hei­de­nau noch von einem ost­zonalen Prob­lem sprachen, glauben seit dem Ein­marsch der AfD in die Land­tage von Baden-Würt­tem­berg, Rhein­land-Pfalz und Sach­sen-Anhalt zu wis­sen: Der wut­bürg­er­liche Anti-Estab­lish­ment-Ges­tus, der seinen organ­isatorischen Aus­druck in der Truppe um Frauke Petry, Alexan­der Gauland und Björn Höcke gefun­den haben, ist ein gesamt­deutsches Phänomen.

In der Tat zeigen die Wahlergeb­nisse von bis zu 15 Prozent im West­en, dass die AfD auch dort über eine große Anhänger­schaft ver­fügt. Den­noch basiert die Rede von einem gesamt­deutschen Phänomen oder, direkt damit ver­bun­den, einem flächen­deck­enden ras­sis­tis­chen Nor­malzu­s­tand vielfach auf einem inter­essierten Missver­ständ­nis. Vor allem den Vertretern des etablierten ost­deutschen Polit­be­triebes – von den ehe­ma­li­gen Block­flöten bis zur Linkspartei – ist daran gele­gen, die Amok­läufe der Landeskinder/Ost zu ver­harm­losen, indem sie diese mit den Vorgän­gen jen­seits der ehe­ma­li­gen Zonen­gren­ze aufwiegen.

Die Ossis des West­ens

In let­zter Kon­se­quenz ist die Rede von den gesamt­deutschen Phänome­nen AfD ein Angriff auf die Unter­schei­dungs­fähigkeit, die zu den zen­tralen Voraus­set­zun­gen von Erken­nt­nis und Kri­tik gehört. Allen Angle­ichun­gen zum Trotz gibt es im Hin­blick auf die Alter­na­tive für Deutsch­land näm­lich ein dreifach­es Gefälle: Die Partei ist eher – und darauf liegt die Beto­nung – ein Ost- als ein West­phänomen, sie find­et ihre Wäh­ler eher im ländlichen und mit­tel­städtis­chen Raum als in den Bal­lungszen­tren und sie ist eher in abgewirtschafteten als in boomenden Regio­nen erfol­gre­ich.

Der Auf­stieg der AfD im West­en geht nicht zulet­zt darauf zurück, dass als Folge von Dein­dus­tri­al­isierung, dem Ende des Wohlfahrtsstaates, Arbeit­slosigkeit und Prekarisierung auch dort in eini­gen Regio­nen ein Sozial­ty­pus ent­standen ist, dessen Vertreter wis­senschaftlich exakt als Gefühlszo­nis beze­ich­net wer­den kön­nen. Sein­er Her­aus­bil­dung kam eine Verän­derung der öffentlichen Mei­n­ung ent­ge­gen: Gilt der qual­i­fizierte Aus­län­der inzwis­chen als Bere­icherung der Gesellschaft, sor­gen die Ange­wohn­heit­en und Ver­hal­tensweisen der vielbeschwore­nen Mod­ernisierungsver­lier­er über­all für Spott. Das ist nicht nur ein Sig­nal an die bere­its Abge­hängten, son­dern auch an den tra­di­tionellen, vom Abstieg bedro­ht­en Mit­tel­stand, der auf­grund fehlen­der Fremd­sprachenken­nt­nisse und Com­put­er­skills befürcht­en muss auf der Strecke zu bleiben. Wie ihre Gesin­nungsgenossen im Osten sehnen sich die Zor­nis des West­ens nach dem tra­di­tionellen Volksstaat zurück, der vor den Anforderun­gen des inter­na­tionalen Mark­tes beschützt und zumin­d­est teil­weise von der Sorge um den Verkauf der Ware Arbeit­skraft befre­it. Sie kämpfen gegen die dro­hende oder bere­its stattge­fun­dene Deklassierung und für eine staatliche Sozialpoli­tik, bei der wieder der Geburt­sort darüber entschei­det, wer bei der Verteilung der Staatskohle bevorzugt wird.

Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt ihrer regelmäßi­gen Bezüge auf die Nation. Die emo­tionale Bindung ans Vater­land ist weniger über die Nation­al­hymne ver­mit­telt, die auch der herkömm­liche AfDler kaum noch ken­nt, als über die alte D‑Mark. Sie ist zum Sym­bol dessen gewor­den, was sich längst ins Zen­trum des Nation­al­be­wusst­seins geschoben hat: das Sozial­sys­tem (Kranken­ver­sicherung, Renten­sys­tem, Arbeit­slosen­geld usw.), das inzwis­chen eben­so zur Dis­po­si­tion ste­ht wie vor eini­gen Jahren die alte Währung. Das aufge­drehte Deutsch­land-Gedudel der AfD heißt weniger, dass man fürs Vater­land endlich wieder in den Schützen­graben kriechen will, son­dern dass sich Abstam­mung wieder lohnen soll.

Mod­ell Islam

Dass sich diese Sehn­sucht regelmäßig in War­nun­gen vor ein­er Islamisierung aus­drückt, mag zunächst willkür­lich erscheinen. Und tat­säch­lich waren die ein­schlägi­gen Anti-Islam-Parolen von AfD und Co. stets auch Chiffren für ordinäre Aus­län­der­feindlichkeit. Das gilt nicht zulet­zt für das seit Jahren von Parteien­forsch­ern beschworene „recht­sex­treme Wäh­ler­po­ten­tial“, das die AfD über­all abgreifen kon­nte. Trotz­dem ist es kein Zufall, dass der Islam zum Sym­bol für die Krise des Etatismus wurde. Denn im Zuge der Umgestal­tung des Wohlfahrtsstaates wur­den zahlre­iche Behör­de­nauf­gaben an gesellschaftliche und pri­vate Ini­tia­tiv­en delegiert. So erhielt etwa die Fam­i­lie als Betriebs- und Bedarf­s­ge­mein­schaft neue Bedeu­tung. Ins­beson­dere in den Regio­nen, die der AfD und ihrer inof­fiziellen Vor­fel­dor­gan­i­sa­tion Pegi­da als Vorhöfe zur Hölle gel­ten, in Kreuzberg, im Ruhrpott usw., gewan­nen auf den Feldern, die der Staat bei seinem Rück­zug auf­gab, islamis­che Insti­tu­tio­nen und Com­mu­ni­ties an Boden. Der Islam stellt die prak­tis­chen Mit­tel und das ide­ol­o­gis­che Rüstzeug bere­it, um das Elend zu ver­wal­ten, für die sich der Staat nicht mehr ver­ant­wortlich fühlt. Kranken­ver­sicherung, Arbeit­slose­nun­ter­stützung, Altersvor­sorge? Das alles hat die Sippe zu gewähren. Religiöse Vorschriften, patri­ar­chale Struk­turen und Zwangs­bindun­gen ver­bür­gen die Haf­tung der einzel­nen Mit­glieder füreinan­der, Fam­i­lien­gerichte und Brüderver­bände übernehmen den Job von Jus­tiz und Polizei. Auch wenn hierzu­lande gezögert wird, islamis­chen Gangs auch offiziell staatliche Auf­gaben zu über­tra­gen, zeich­net sich ab, was z.B. in britis­chen Großstädten längst klare Kon­turen gewon­nen hat: Um Kosten bei Inte­gra­tion und Ver­wal­tung zu sparen, nimmt der Staat die inte­gri­erende Kraft islamis­ch­er Insti­tu­tio­nen in Beschlag. So vol­l­zog sich der Auf­stieg des Islams zur Ide­olo­gie der Entrechteten europaweit nicht nur par­al­lel zum Nieder­gang des Sozial­staates, son­dern zwis­chen bei­den Entwick­lun­gen beste­ht ein unmit­tel­bar­er Zusam­men­hang.

Der Otto-Nor­mal-AfDler ist so stark auf den Islam fix­iert, weil er für ihn Wun­sch- und Angst­bild in einem ist. Er sehnt sich auf der einen Seite nach dem Aufge­hen des Einzel­nen in der Gemein­schaft, dem Bedeu­tungszuwachs der Fam­i­lie, tra­di­tionellen Rol­len­bildern und der Erlaub­nis zum Loss­chla­gen. Die Feind­schaft gegen die Anhänger des Propheten geht in AfD-Kreisen insofern oft auf Neid zurück – die Umma ist die ersehnte Volks­ge­mein­schaft. Auf der anderen Seite wird der Rück­zug des tra­di­tionellen Wohlfahrtsstaates, der den Auf­stieg des Islams zur Instanz großstädtis­ch­er Elendsver­wal­tung beförderte, hinge­gen befürchtet: Die islamis­chen Com­mu­ni­ties erin­nern den bedrängten Mit­tel­stand und die bere­its Abge­hängten auch an ihr eigenes Schick­sal.

Beson­der­heit West

Neben den tat­säch­lichen oder hal­luzinierten Welt­mark­tver­lier­ern spricht die Partei im West­en jedoch noch eine weit­ere Klien­tel an. Wenn es die dor­ti­gen Gefühlszo­nis nicht gäbe, kön­nte man den Ein­druck gewin­nen, dass unter dem Namen AfD in den alten und in den neuen Bun­deslän­dern zwei ver­schiedene Vere­ine auftreten, die um zwei unter­schiedliche Wäh­ler­grup­pen wer­ben. Denn trotz des Rück­zugs von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel aus der Partei ist der wirtschaft­slib­erale Flügel im West­en noch stark vertreten. Mehr noch: Seine Vertreter scheinen dort die Alphahähne inner­halb der AfD zu sein.

Die wirtschaft­slib­erale Frak­tion spricht ein Pub­likum an, das es in der Zone kaum gibt: die tra­di­tionellen Wohl­stand­schau­vin­is­ten. Aus diesem Grund ging die AfD in Ost und West auch mit unter­schiedlichen, teils gegen­läu­fi­gen Parolen auf Wäh­ler­suche. So dürften die Forderun­gen nach der Abschaf­fung des geset­zlichen Min­dest­lohnes und der Senkung des Hartz-IV-Satzes, mit dem die Partei im West­en hausieren ging, beim AfD-Volk/Ost auf Ablehnung stoßen. Im weniger pro­le­tarischen Baden-Würt­tem­berg und in Rhein­land-Pfalz dürften sie der Partei dage­gen einige Stim­men einge­bracht haben. Das tra­di­tionelle, in bei­den Län­dern stark vertretene Mini- und Klei­n­un­ternehmer­tum ist von Saisonar­beit­ern, bil­li­gen Zulief­er­ern usw. abhängig. Bei ihm hat sich der Traum vom starken Staat, der seine Inter­essen wahrt, vielfach mit dem Wun­sch ver­bun­den, nicht von den Ansprüchen des Prekari­ats belästigt zu wer­den. Kurz: Sieht man von Neon­azis und anderen klin­is­chen Fällen, den Chem-Trail-Spezial­is­ten, Spiri­tis­ten und weit­eren Irren, ab, die sich von der AfD dies- und jen­seits der Zonen­gren­ze ange­sprochen fühlen, dann herrscht unter ihren Wäh­lern im Osten die Sehn­sucht nach ein­er Art – im Wortsinn – nationalem Sozial­is­mus vor, der sein Vor­bild in ein­er autoritär­eren Ver­sion der sozialdemokratis­chen Run­dum­für­sorge der Ära Schmidt hat. Für ihre west­lichen Wäh­ler gibt die Partei dage­gen eine Reinkar­na­tion des Nation­al­lib­er­al­is­mus der Bis­mar­ck-Ära.

Epizen­trum Ost

Weil es diesen Sozial­ty­pus im Osten kaum gibt, die Zahl der tat­säch­lichen oder hal­luzinierten Welt­mark­tver­lier­er dort wesentlich größer ist und die Linkspartei mit ihrer Pro­pa­gan­da für einen autoritären Sozial­is­mus und ihrem „Belogen-und-Betrogen“-Gejammer den Boden für die AfD bere­it­et hat, befind­et sich die größte Fan­base der Partei auch weit­er­hin dort. So wur­den die Wahlergeb­nisse, die die AfD in den alten Bun­deslän­dern erzie­len kon­nte, in Sach­sen-Anhalt noch ein­mal um min­destens zehn Prozent übertrof­fen. Umfra­gen bestäti­gen diesen Trend: Auch die Bewohn­er der anderen Zonen­län­der wür­den ihre West­ver­wandtschaft deut­lich übertrumpfen, wenn man in den näch­sten Wochen Demokratie­of­fen­sive spie­len und sie an die Wahlur­nen lassen würde.

Dieser Unter­schied wird noch offenkundi­ger, wenn man das unter­schiedliche Kli­ma betra­chtet, in dem die AfD in Ost und West agiert. Die Rede ist von den Hand­fes­tigkeit­en, mit denen Nazis und andere Wut­bürg­er in den let­zten Monat­en gegen Aus­län­der vorge­gan­gen sind: Bran­dan­schläge, deren Täter heim­lich und nachts kom­men, gibt es auch im West­en. Anson­sten kommt der Protest gegen Asyl­be­wer­ber­heime dort in der Regel jedoch zivilge­sellschaftlich mit Bürg­erini­tia­tive und Unter­schriften­samm­lung daher. Die Volk­saufläufe, Krawalle und Block­adeak­tio­nen sind hinge­gen fast auss­chließlich ost­zonale Phänomene. Set­zt man die Bevölkerungszahl, den Anteil von Aus­län­dern und die Zahl von Über­grif­f­en zueinan­der ins Ver­hält­nis, dann gilt zudem immer noch: Für einen Syr­er ist es min­destens sieben­mal gefährlich­er, eine Diskothek in Guben als eine in Gießen zu besuchen.

Warum Born­hagen?

Es würde sich also eigentlich über­all in der Ost­zone – und in eini­gen Regio­nen des West­ens dazu – anbi­eten, gegen die AfD zu demon­stri­eren. Dass wir uns den­noch für Born­hagen im thüringis­chen Eichs­feld entsch­ieden haben, hat zwei Gründe: Zum einen lebt jemand in dem 300-See­len-Kaff, der zu den wohl unan­genehm­sten Gestal­ten der Partei gehört: der Thüringer Lan­desvor­sitzende Björn Höcke, der erst vor eini­gen Monat­en mit der Rede von einem „afrikanis­chen Aus­bre­itungstyp“ für Aufmerk­samkeit sorgte. Zum anderen haben wir uns für Born­hagen entsch­ieden, weil es gute Gründe dafür gibt, dass sich der im West­en aufgewach­sene Höcke dort so wohl fühlen kann, dass er aus Hes­sen, wo er im Schul­dienst tätig war, dor­thin über­siedeln kon­nte: Der Ort ist so etwas wie das ide­al­typ­is­che AfD-Nest: Es liegt eher im Osten als im West­en, ist eher Dorf als Großs­tadt und eher abge­hängt als pros­perierend. Wohl auch deshalb erre­ichte die Partei dort schon zu einem Zeit­punkt, als sie noch in den Kinder­schuhen steck­te, erstaunliche Wahlergeb­nisse. Bei den let­zten Thüringer Land­tagswahlen im Sep­tem­ber 2014, also noch vor der Flüchtlingskrise, erzielte die AfD in Born­hagen mit 36,5 Prozent ihr absolutes Reko­rdergeb­nis.

Seit Höck­es Zuzug und dem Auf­stieg der AfD haben im Eichs­feld zudem mil­i­tante Nazis, zu denen Höcke eine eher kreative Abgren­zungspoli­tik pflegt, an Stärke gewon­nen. Für die weni­gen Ander­s­denk­enden der Region, mit denen wir uns aus­drück­lich sol­i­darisieren, ist es in diesem nie sehr wirtlichen Land­strich damit noch schw­er­er gewor­den. Es gibt insofern genü­gend Gründe, um in Born­hagen zu protestieren. Umso ver­wun­der­lich­er ist es, dass bish­er noch nie­mand auf die Idee gekom­men ist, Höcke in seinem Heima­tort auf den Zahn zu fühlen. Das ist auch der Grund für unsere Demon­stra­tion: Weil es son­st kein­er tut, haben wir uns entschlossen, unsere Elfen­bein­türme und Hartz-IV-finanzierten Großs­tadtvillen aus­nahm­sweise ein­mal zu ver­lassen, nach Born­hagen zu fahren und dem Björn zu zeigen, was eine Höcke ist. Ver­miesen wir den AfD-Dör­flern genau den Tag, an dem sie mal wieder so aus­ge­lassen sein wollen wie son­st wohl nur dann, wenn jemand als Sau durch den Ort getrieben wird. Ver­miesen wir ihnen durch unsere bloße Anwe­sen­heit Christi Him­melfahrt!

Anti­deutsche Aktion Berlin (ADAB), Antifaschis­tis­che Grup­pen Halle, Asso­ci­a­tion Pro­grès Eichs­feld

Datum:

5. Mai 2016    

Zeit:

15:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Born­hagen

Thürin­gen

Veranstalter*in:

Veranstaltungslink: