Anarchosyndikalismus am Beispiel der thüringischen Stadt Sömmerda

17. August 2016 | 19:30

Vor­trag von PD Dr. Annegret Schüle, ergänzt durch einen Kurz-Doku­men­tarfilm

Nach dem Ersten Weltkrieg gewann für kurze Zeit eine oppo­si­tionelle Strö­mung in der deutschen Arbeit­er­be­we­gung an Bedeu­tung, die eine rev­o­lu­tionäre Grund­hal­tung mit strik­tem Anti­zen­tral­is­mus ver­band: der Anar­chosyn­dikalis­mus. Die in der Freien Arbeit­er-Union Deutsch­land (FAUD) organ­isierte Bewe­gung erre­ichte im Jahre 1921 die höch­ste Mit­gliederzahl mit 150.000, bis zum Ende der 20er Jahre schrumpfte sie jedoch wieder auf unter 10.000 Mit­glieder. Nach 1933 teil­ten die Anar­chosyn­dikalis­ten das Ver­fol­gungss­chick­sal aller antifaschis­tis­chen Grup­pen. Die DDR löschte die Erin­nerung an diese Strö­mung in der Arbeit­er­be­we­gung aus.

Der Anar­chosyn­dikalis­mus wollte die Abschaf­fung des Kap­i­tal­is­mus als Sys­tem der „rück­sicht­slosen Aus­beu­tung der bre­it­en Massen zugun­sten ein­er kleinen Min­der­heit Besitzen­der“, wie es in der von Rudolf Rock­er for­mulierten „Prinzip­i­enerk­lärung des Syn­dikalis­mus“ von 1919 hieß. Die FAUD lehnte jede Form der Zen­tral­isierung, ins­beson­dere in poli­tis­chen Parteien und durch staatliche Struk­turen, ab. Sozialdemokratis­chen und kom­mu­nis­tis­chen Parteien sowie den Gew­erkschaften warf man vor, in ihren Hier­ar­chien und Kampf­for­men die herrschen­den Ver­hält­nisse zu imi­tieren oder sie seit­en­verkehrt widerzus­piegeln. Die Anar­chosyn­dikalis­ten set­zten auf die „direk­te Aktion“, ins­beson­dere den Gen­er­al­streik, der unter Verzicht auf Gewal­tan­wen­dung Unternehmern wie staatlichen Insti­tu­tio­nen die Macht entziehen und die Arbeit­erkon­trolle ver­wirk­lichen sollte. In der neuen Gesellschaft des herrschaft­slosen Sozial­is­mus wür­den die Men­schen dann in selb­stver­wal­teten Betrieben und Verteilzen­tren die Pro­duk­tion und den Kon­sum nach ihren Bedürfnis­sen regeln.

Auch wenn der Schw­er­punkt der FAUD im Ruhrge­bi­et lag, hat­te sie auch in Thürin­gen Anhänger und wurde in Söm­mer­da für einige Jahre sog­ar zur dominieren­den Kraft in der lokalen Arbeit­er­be­we­gung. Im Vor­trag von Annegret Schüle wird diese außergewöhn­liche Entwick­lung in der Kle­in­stadt nördlich von Erfurt nachgeze­ich­net und in den Kon­text der Stadt­geschichte gestellt. Diese wurde von dem großen Rüs­tung­sun­ternehmen Rhein­metall dominiert, dessen Belegschaft im Ersten Weltkrieg auf 10.000 Arbeit­skräfte angewach­sen war. Warum gelang es ger­ade in Söm­mer­da, die Beschäftigten eines Groß­be­triebes geschlossen für diese neue poli­tis­che Strö­mung zu gewin­nen? Wie wurde die strik­te anti­mil­i­taris­tis­che Ori­en­tierung der FAUD im Werk umge­set­zt? Was geschah im Kapp-Putsch und wie wur­den Lohnkämpfe geführt?

PD Dr. Annegret Schüle pro­movierte an der Uni­ver­sität Jena über weib­liche Arbeit­ser­fahrun­gen in einem Tex­til­be­trieb der DDR und habil­i­tierte an der Uni­ver­sität Erfurt mit der Mono­grafie „Indus­trie und Holo­caust. Topf & Söhne – Die Ofen­bauer von Auschwitz“. Sie ist außer­dem Autorin ein­er Werks­geschichte über das Büro­maschi­nen­werk Söm­mer­da und zahlre­ich­er Auf­sätze. Seit 2011 leit­et sie den von ihr konzip­ierten Erin­nerung­sort Topf & Söhne – Die Ofen­bauer von Auschwitz, ein Geschichtsmu­se­um der Lan­deshaupt­stadt Erfurt.

Datum:

17. August 2016    

Zeit:

19:30

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Stadt­bücherei Weimar
Steuben­straße 1
99423 Weimar

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