Solidarität mit dem Gefangenenstreik gegen die Knastsklaverei in den USA!

21. August 2018 | 17:00

Aufruf zur Protestkundge­bung vorm Leipziger US-Kon­sulat und zu weit­eren Aktio­nen von den Sol­i­dar­itäts­grup­pen Jena, Leipzig, Berlin und Köln der Gefan­genen-Gew­erkschaft, unter­stützt vom Inter­na­tionalen Komi­tee der FAU

Kundge­bung am Dien­stag, 21. August 2018, 17 Uhr vorm US-Kon­sulat in Leipzig

Im Gefäng­nis­sys­tem der USA wer­den um die zwei Mil­lio­nen Men­schen, davon über­pro­por­tion­al viele Nicht-Weiße (Peo­ple of Col­or) und Migrant_innen, fest­ge­hal­ten und aus­ge­beutet. Knapp die Hälfte von ihnen wird gemäß der US-Ver­fas­sung zum Arbeit­en gezwun­gen gezwun­gen. Es han­delt sich dabei also um nichts weniger als die mod­erne Fort­führung der Sklaverei. Die seit Jahren anhal­tende Protest- und Streik­be­we­gung der Gefan­genen gegen dieses Sys­tem soll vom 21. August bis 9. Sep­tem­ber 2018 mit einem neuen US-weit­en Gefan­genen­streik fort­ge­set­zt wer­den. Als Sol­i­dar­itäts­grup­pen der Gefan­genen-Gew­erkschaft rufen wir zur Unter­stützung dieses Kampfes auf. Kommt alle zur Protestkundge­bung vorm US-amerikanis­chen Kon­sulat in Leipzig am Dien­stag, 21. August, ab 17 Uhr! Schickt Protestschreiben an die US-amerikanis­chen Vertre­tun­gen in der BRD! Schickt den Gefan­genen Briefe! Find­et eigene For­men der Sol­i­dar­ität!

Die Arbeitsstreik­be­we­gung der Knast­sklaven

Seit den 70er Jahren hat in den USA ein mas­siv­er Aus­bau des Gefäng­niswe­sens stattge­fun­den. Immer stren­gere Geset­ze zie­len auf die Mass­en­in­haftierung v.a. der schwarzen, far­bigen, migrantis­chen und armen Bevölkerung der USA. Die Zwangsar­beit hin­ter Git­tern hat ihre rechtliche Grund­lage im 13. Artikel der US-amerikanis­chen Ver­fas­sung. Mit diesem Artikel wurde 1865 eigentlich die Sklaverei abgeschafft. Allerd­ings wurde dabei ein Schlupfloch gelassen: Kein­er dürfe zum Arbeit­en gezwun­gen, außer er wurde recht­skräftig wegen eines Ver­brechens verurteilt.

Gegen diese Zustände hat sich in den USA eine bre­ite und sehr kämpferische Gefan­genen­be­we­gung gebildet. Häftlinge ver­schieden­ster nationaler, eth­nis­ch­er, religiös­er und poli­tis­ch­er Hin­ter­gründe organ­isieren sich hin­ter Git­tern und wer­den dabei von ein­er bre­it­en Sol­i­dar­itäts­be­we­gung von draußen unter­stützt. Diese Bewe­gung reicht von lib­eralen NGOs bis hin zu anar­chis­tis­chen Grup­pen.

Seit 2010 hat inner­halb der Gefan­genen­be­we­gung der USA eine strate­gis­che Neuori­en­tierung stattge­fun­den: weg von Hunger­streiks und anderen Protest­for­men hin zu Arbeitsstreiks. So soll die Knas­tin­dus­trie lah­mgelegt und unter solchen Druck geset­zt wer­den, dass sich die mas­sive Inhaftierung und Aus­beu­tung von Gefan­genen für den Staat und für die Bosse nicht mehr lohnt. Im Rah­men unzäh­liger lokaler und regionaler Streiks und Auf­stände in US-amerikanis­chen Haf­tanstal­ten riefen Gefan­gene zum 9. Sep­tem­ber 2016, dem Jahrestag des Auf­s­tands im Gefäng­nis von Atti­ca von 1971, zu einem US-weit­en Gefan­genen­streik gegen die Knast­sklaverei auf. Der Streik wurde maßge­blich durch die Gefan­genenor­gan­i­sa­tion Free Alaba­ma Move­ment organ­isiert, die 2015 mit ihrem Text „Let the Crops Rot in the Field“ massen­hafte Arbeitsstreiks zum Pro­gramm machte. Am Streik selb­st beteiligten sich dann nach Ein­schätzun­gen des Organ­i­sa­tion­skomi­tees inhaftiert­er Arbeiter_innen der Gew­erkschaft IWW min­destens 57.000 Gefan­gene bzw. wur­den präven­tiv eingeschlossen.

Auch von außen gibt es eine starke Sol­i­dar­itäts­be­we­gung. Während des his­torischen Streiks vom 9. Sep­tem­ber fan­den zahlre­iche Aktio­nen vor den Gefäng­nis­sen und in den Städten statt. Knapp ein Jahr später, am 19. August 2017, fand ein Aktionswoch­enende der Mil­lions for Pris­on­ers mit Demos in Wash­ing­ton und 16 anderen Städten statt. Aus Angst vor Aktio­nen auch hin­ter Git­tern wurde in allen Haf­tanstal­ten in Flori­da und South Car­oli­na Ein­schluss ange­ord­net. Davon waren über 120.000 Gefan­gene betrof­fen und damit wurde für die Tage der gesamte Knast­be­trieb lah­mgelegt.

Anlass und Forderun­gen des Gefan­genen­streiks 2018

Anlass für den diesjähri­gen Streikaufruf war der Auf­s­tand, der am 15. April 2018 in der Haf­tanstalt von Lee stat­tfand. Bei dem Auf­s­tand wur­den sieben Gefan­gene getötet, Dutzende wur­den ver­let­zt, wovon 22 Gefan­gene ins Kranken­haus eingewiesen wer­den mussten. Gefan­gene wer­fen den Beamten vor, die Gewalt durch langjährige Knast­poli­tiken mitverur­sacht und dann nicht ver­hin­dert zu haben und anschließend sog­ar medi­zinis­che Hil­fe ver­schleppt zu haben. Nach dem Auf­s­tand wurde für mehrere Wochen in Haf­tanstal­ten in ganz South Car­oli­na dauer­hafter Ein­schluss ange­ord­net, sodass die Gefan­genen keinen regelmäßi­gen Zugang zu ihren Mit­ge­fan­genen, Duschen, Freizeit­möglichkeit­en und Verkos­tung außer­halb ihrer eige­nen Zellen mehr hat­ten.

Infolge all dessen hat das US-weite Gefan­genenkollek­tiv Jail­house Lawyers Speak am 23. April 2018 zu einem lan­desweit­en Gefan­genen­streik vom 21. August bis zum 9. Sep­tem­ber 2018 aufgerufen. Damit sollen die wahren Gründe für den Auf­s­tand und seine tödlichen Fol­gen benan­nt wer­den, näm­lich die unsäglichen Haft- und Lebens­be­din­gun­gen sowie die Verzwei­flung der Gefan­genen. Ziel ist außer­dem, dass die Gefan­genen sich nicht länger gegeneinan­der aufhet­zen lassen, son­dern gemein­sam gegen das Knast­sys­tem kämpfen. Darüber hin­aus wird der Streik die Gefan­genen­streik­be­we­gung der let­zten Jahre fort­set­zen.

Die Wahl der Dat­en ist nicht zufäl­lig. Am 21. August 1971 wurde George Jack­son, ein schwarz­er Rev­o­lu­tionär, bei seinem Fluchtver­such von einem Schließer erschossen. Daraufhin began­nen Proteste, die ihren Höhep­unkt im Gefan­gene­nauf­s­tand von Atti­ca am 9. Sep­tem­ber 1971 hat­ten.

Der Forderungskat­a­log des Streiks ist:

  1. Unmit­tel­bare Verbesserung der Haftbe­din­gun­gen und eine Strafvol­lzugspoli­tik, die die Men­schlichkeit inhaftiert­er Män­ner und Frauen anerken­nt
  2. Abschaf­fung der Knast­sklaverei. Alle, die unter US-amerikanis­ch­er Rechtssprechung inhaftiert wur­den, müssen nach dem Lohn­niveau des entsprechen­den Bun­desstaats oder Ter­ri­to­ri­ums bezahlt wer­den.
  3. Abschaf­fung des „Geset­zes zur Reform der Prozes­sor­d­nung im Strafvol­lzug“, sodass Gefan­gene wirk­lich die Möglichkeit erhal­ten, sich gegen Missstände und Ver­let­zun­gen ihrer Rechte zu wehren.
  4. Abschaf­fung des „Geset­zes über die Wahrheit im Urteil­sprozess“ und des „Geset­zes zur Reform des Urteil­sprozess­es“, sodass Gefan­gene die Möglichkeit zur Resozial­isierung und Bewährung bekom­men. Nie­mand darf zum Tode durch Wegsper­ren verurteilt wer­den oder eine Haft ohne Möglichkeit auf Bewährung absitzen müssen.
  5. Ein sofor­tiges Ende der Prax­is, Schwarze und braune Men­schen mit einem über­pro­por­tion­al hohen Straf­maß anzuk­la­gen, sie zu über­pro­por­tion­al hohen Strafen zu verurteilen und ihnen Bewährungsstrafen zu ver­wehren. Schwarzen darf nicht länger Bewährung ver­wehrt wer­den, weil das Opfer des Ver­brechens weiß war, was vor allem in den Süd­staat­en ein Prob­lem darstellt.
  6. Abschaf­fung der „Geset­ze zur Straf­maßer­höhung bei Ban­denkrim­i­nal­ität“, die sich vor allem gegen Schwarze und braune Men­schen richt­en.
  7. Häftlin­gen darf der Zugang zu Resozial­isierung­spro­gram­men in ihren Haf­tanstal­ten nicht weit­er auf­grund dessen ver­wehrt wer­den, dass sie als Gewalt­täter abgestem­pelt wer­den.
  8. Finanzierung von Resozial­isierungs­di­en­stleis­tun­gen in Gefäng­nis­sen für Langstrafer.
  9. Wiedere­in­führung von Bil­dungszuschüssen in allen Staat­en und Ter­ri­to­rien der USA.
  10. Das Wahlrecht aller Bürg­er die auf­grund ein­er Haft­strafe oder in Unter­suchung­shaft inhaftiert sind sowie aller Ex-Gefan­gener ist zu respek­tieren. Wir fordern Repräsen­ta­tion, alle Stim­men zählen.

Jail­house Lawyers Speak ruft zu fol­gen­den Aktio­nen auf: Hunger­streiks, Sitzstreiks, Arbeitsstreiks und Boykott jedlichen Kon­sums durch die Gefan­genen.

Der Aufruf und der Forderungskat­a­log des Jail­house Lawyers Speak wer­den unter anderem von fol­gen­den Organ­i­sa­tio­nen unter­stützt: Vom Komi­tee zur Organ­isierung inhaftiert­er Arbeiter_innen der rev­o­lu­tionären Gew­erkschaft Indus­tri­al Work­ers of the World, von der Men­schen- und Bürg­er­recht­sor­gan­i­sa­tion The People‘s Con­sor­tium, vom Bünd­nis Mil­lio­nen für die Men­schen­rechte der Gefan­genen sowie von zahlre­ichen sozial­is­tis­chen, anar­chis­tis­chen und anti­ras­sis­tis­chen Organ­i­sa­tio­nen, von Pro­jek­ten gegen Polizeige­walt, von Antik­nast- und Gefan­genen­sol­i­dar­ität­sor­gan­i­sa­tio­nen usw.

Mehr Infos find­et ihr hier.

Auf dem Weg zum 21. August

Seit Ankündi­gung des US-weit­en Streiks haben Gefan­gene in zahlre­ichen Haf­tanstal­ten ihre Unter­stützung erk­lärt. Es haben sog­ar schon Proteste zur Mobil­isierung stattge­fun­den. Beispiel­sweise haben vier Gefan­genen­grup­pen in Mis­souri eine Eini­gung unterze­ich­net und einen Sitzstreik organ­isiert, der insoweit eskalierte, dass die Gefan­genen in eine der riesi­gen Pro­duk­tion­san­la­gen ein­drangen, dort die Pro­duk­tion­san­la­gen und Maschi­nen zer­stört und Parolen wie „21. August“ an den Wän­den hin­ter­lassen haben. Gefan­gene in Texas und Flori­da haben zum 19. Juni, dem Gedenk­tag an die Abschaf­fung der Sklaverei, eben­falls Protes­tak­tio­nen durchge­führt.

Auch außer­halb der Haf­tanstal­ten laufen die Vor­bere­itun­gen für den Streik in den USA auf Hoch­touren. Seit Monat­en wer­den Recht­shil­festruk­turen, eine Infor­ma­tion­skam­pagne und Sol­i­dar­ität­skundge­bun­gen geplant und organ­isiert. Artikel, Zines, Hefte und Aufrufe zirkulieren in den ganzen USA.

Unter­stützen auch wir in Deutsch­land den Gefan­genen­streik!

Macht den Gefan­genen­streik bekan­nt! Nutzt eigene Kanäle und bringt ihn in die Presse!

Das bun­desweite Free Mumia Net­zw­erk hat bere­its einen Sol­i­dar­ität­saufruf veröf­fentlicht. Auch wir als Soli­grup­pen der GG/BO schließen uns dem Aufruf an. Konkret rufen wir zu fol­gen­den Aktio­nen auf:

Kommt zu unser­er Kundge­bung am 21. August um 17 Uhr vor dem US-amerikanis­chen Kon­sulat in Leipzig. Organ­isiert eigene Kundge­bun­gen vor US-amerikanis­chen Vertre­tun­gen in euren Städten.

Schickt Protestschreiben an US-amerikanis­che Vertre­tun­gen in Deutsch­land.

Schickt Sol­i­dar­itätss­chreiben an kämpferische Gefan­gene in den USA.

Stärkt auch in Deutsch­land die Gefan­genen­be­we­gung durch Unter­stützung für die Gefan­genen-Gew­erkschaft und andere aktive Gefan­gene.

Datum:

21. August 2018    

Zeit:

17:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

US-amerikanis­chen Kon­sulat in Leipzig

Veranstalter*in:

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