Antifa-Demo nach Neonaziangriff in Erfurt

1. August 2020 | 14:00

Sol­i­dar­ität mit den betrof­fe­nen rechter Gewalt – Die Tat­en beim Namen nen­nen! Faschis­tis­che Angriffe aufdeck­en und aufk­lären!

In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2020 feierten vor der Erfurter Staatskan­zlei am Hirschgarten mehrere Grup­pen alter­na­tiv­er Jugendlich­er und junger Erwach­sen­er. Gegen ein Uhr nachts taucht­en rund 20 Per­so­n­en auf und began­nen unver­mit­telt auf alle einzuprügeln, die sie fassen kon­nten. Zum Teil ver­mummt grif­f­en die Täter an, trak­tierten mit Trit­ten und Schlä­gen die am Boden liegen­den Men­schen und ver­let­zten vier von ihnen schw­er. Während die Polizei vor­erst salopp von ein­er „kör­per­lichen Auseinan­der­set­zung“ redete und die Medi­en von ein­er „Massen­schlägerei“ sprachen, werteten Betrof­fene des Angriffs sowie Zeug*innen den Vor­gang als klaren organ­isierten Angriff. Einige Täter wur­den von den Betrof­fe­nen als Neon­azis erkan­nt. Während anfänglich Speku­la­tio­nen über einen möglichen recht­en Hin­ter­grund der Tat eher vage aus­fie­len, ist mit­tler­weile klar: Der organ­isierte Angriff ging von Neon­azis aus.

Trau­rige Kon­ti­nu­ität in Erfurt

Wenn auch der Angriff Mitte Juli auf­grund sein­er Koor­dinierung und Bru­tal­ität her­aussticht, so hat Neon­azige­walt in Erfurt Kon­ti­nu­ität. Die Thüringer Lan­deshaupt­stadt bildet in der Sta­tis­tik rechter, ras­sis­tis­ch­er und anti­semi­tis­ch­er Gewalt der Opfer­ber­atungsstelle ezra, immer wieder die ein­same Spitze im Freis­taat. Vor allem Linke, Migrant*innen und Geflüchtete sind Ziele der Angriffe. Beson­ders in Erfurt macht die organ­isierte Neon­aziszene keinen Hehl aus ihrer Nähe zum Kampf­s­port und zu Hooli­ganstruk­turen, wie dem „Jungsturm“, ein­er Neon­azi-Hooli­gan-Gruppe des FC Rot-Weiß Erfurt. Bere­its in der Ver­gan­gen­heit beteiligten sich Erfurter Neon­azis an Auss­chre­itun­gen. Sei es am 1. Mai 2015 in Saalfeld, beim geziel­ten Über­fall auf den Stadt­teil Leipzig Con­newitz 2016, am 1. Mai 2017 in Apol­da oder im Som­mer 2018 in Chem­nitz. Beson­ders tat sich dabei die ange­blich aufgelöste Gruppe „Kollektiv56“ her­vor. Sie verortete sich bei den „Autonomen Nation­al­is­ten“, organ­isierte sich im bun­desweit ver­net­zten “Antikap­i­tal­is­tis­chen Kollek­tiv” (AKK) und war für eine Rei­he von Über­grif­f­en auch in Erfurt ver­ant­wortlich. Eben jene Gruppe griff wieder­holt Gegendemonstrant*innen en am Rande von AfD-Ver­samm­lun­gen an. Ein bekan­nter Angriff durch die Gruppe ereignete sich an Him­melfahrt 2016. Dort griff die Gruppe das Autonome Jugendzen­trum (AJZ) in Erfurt mit Flaschen, Steinen und Pfef­fer­spray an. Zwar kon­nten die Täter größ­ten­teils gefasst wer­den, doch ver­schleppt die Jus­tiz den Prozess mit­tler­weile seit viere­in­halb Jahren. Die Neon­azis haben somit bis heute keine strafrechtlichen Kon­se­quen­zen erfahren. 2017 grif­f­en einige der Täter erneut den Tre­ff­punkt für linke und alter­na­tive Men­schen in Erfurt an.

Das Ver­sagen der Polizei und Jus­tiz

Nach dem Angriff vom 17./18. Juli zeigte die Polizei mit ihrer Pressemel­dung beispiel­haft, wie solch ein organ­isiert­er Angriff von Neon­azis klein­gere­det wird. Durch die erste falsche Darstel­lung der Ereignisse war es den Medi­en vor­erst nur Wert, von ein­er „Massen­schlägerei“ unter alko­holisierten Jugendlichen zu sprechen. Dementsprechend wurde die öffentliche Wahrnehmung zu dem Vor­fall geprägt. Die Erfurter AfD nahm dies dankbar zum Anlass, die Berichter­stat­tung für ihre ras­sis­tis­che Stim­mungs­mache gegen eine „Par­tyszene“ zu nutzen und in das all­ge­meine Zetern über Ran­dale in Stuttgart und Frank­furt einzuset­zen. Erst als Betrof­fene des Über­falls in sozialen Net­zw­erken ihre Per­spek­tive auf die Geschehnisse darstell­ten, begann die Thüringer All­ge­meine die Pressemel­dung der Polizei zu hin­ter­fra­gen. Bei der Polizei hat mit­tler­weile der Staatss­chutz die Ermit­tlun­gen über­nom­men.
Begin­nend mit der falschen und ver­harm­losenden Berichter­stat­tung durch die Polizei, über die kri­tik­lose Über­nahme der Mel­dung der Presse, bildete sich vor­erst ein falsches Bild der Sit­u­a­tion und macht es schw­er, den Betrof­fe­nen Gehör zu ver­schaf­fen. Die Täter wiegt es in Sicher­heit, schließlich wird ihr bru­taler und koor­diniert­er Angriff als „kör­per­liche Auseinan­der­set­zung“ herun­terge­spielt. Damit geht ein fatales Sig­nal an die Neon­aziszene, wie auch schon beim Ver­sagen der Jus­tiz im Fall der Täter vom Angriff auf das AJZ 2016 und 2017. Ein Großteil der Täter fällt seit eini­gen Jahren immer wieder durch rechte Gewalt­tat­en auf. Von Seit­en der Polizei und Jus­tiz passiert wenig bis gar nichts.

Das Prob­lem zieht sich durch Thürin­gen

Es ist nicht der einzige Fall, in dem die Jus­tiz ver­sagt und die Neon­azis kein­er­lei Kon­se­quen­zen fürcht­en müssen. In dem Ver­fahren gegen die Neon­azis, welche einen bru­tal­en Über­falls auf eine Kirmes­ge­sellschaft 2014 in Ball­städt im Land­kreis Gotha verübt haben, wurde der Revi­sion der Angeklagten stattgegeben wie erst in diesem Jahr bekan­nt wurde. Grund waren Form­fehler des Gericht­es im Urteil. Damit muss das Ver­fahren neu vor dem Landgericht Erfurt ver­han­delt wer­den. Die Täter vom Über­fall sind damit 6 Jahre nach der Tat immer noch auf freiem Fuß, bauen ihre Struk­turen wie bspw. “Turonen/Garde20” weit­er aus und gener­ieren weit­er Geld für die eigene Szene. Wenn Neon­azis in ein­er Gruppe eine Kirmes­ge­sellschaft bru­tal zusam­men­schla­gen und ihnen dies durch man­gel­nde Strafver­fol­gung gewährt wird, wer­den sie das auch weit­er tun. Diese Farce ist ein Schlag ins Gesicht für die Betrof­fe­nen des Über­falls.

Ste­hen Neon­azis doch ein­mal vor Gericht und wer­den verurteilt, wie es beim Erfurter Neon­azi Julian Franz im Ver­fahren dreiein­halb Jahre (!) nach dem Über­fall auf Con­newitz der Fall war, erzählen sie das Märchen von ihrem Ausstieg, der Läuterung und ihrer Dis­tanzierung zur Neon­aziszene. Viel zu oft wird ihnen Glauben geschenkt. Nur kurze Zeit nach seinem Prozess im Sep­tem­ber 2019 tauchte Franz wieder im Kreise sein­er Naz­ifre­unde des „Kollektiv56“ auf und lief munter weit­er auf Neon­azidemos herum. Ein ähn­lich­es Spiel lies sich in Eise­nach beobacht­en beim Prozess gegen Kevin Noeske, einen führen­den Neon­azikad­er der Wart­burgstadt. Zur Erle­ichterung von Antifaschist*innen in Saalfeld-Rudol­stadt wurde Noeskes Kam­er­ad Felix Reck erst Anfang Juli zu ein­er drei­jähri­gen Haft­strafe verurteilt.

Unbe­merkt darf weit­er­hin nicht bleiben, was zeit­gle­ich zum Angriff im Erfurter Hirschgarten in Stützer­bach bei Ilme­nau vor sich ging. Dort trainierten bun­desweit aktive Neon­azis und rechte Schläger, wie Noeske, Kampf­s­port im Rah­men eines Zelt­lagers. Sie bere­it­en sich damit auf den Tag X vor, um gegen Migrant*innen, poli­tis­che Gegner*innen und andere “Feinde” vorzuge­hen. Auch hier sprach die Polizei lediglich von “Wild­cam­p­en”.

Den antifaschis­tis­chen Selb­stschutz organ­isieren

Während weit­ere Neon­azis aus dem Bun­des­ge­bi­et – zum Teil mit recht­ster­ror­is­tis­chen Ambi­tio­nen – nach Thürin­gen ziehen und sich im Freis­taat Struk­turen auf­bauen, Recht­srock­fes­ti­vals die Kassen der Szene füllen und im Wald Kampf­s­port trainieren, zeigt der Angriff vom 17./18. Juli ein­mal mehr, dass auf die Polizei kein Ver­lass ist. Es ist an Antifaschist*innen, die Tat­en als das zu benen­nen, was sie sind: Faschis­tis­che Angriffe auf uns alle!
Dass die Neon­azis bei ihrem Angriff den Tod von Men­schen in Kauf genom­men haben, zeigen die schw­eren Ver­let­zun­gen der Betrof­fe­nen und es wird nicht der let­zte Angriff von Neon­azis gewe­sen sein. Wir stellen keine Forderun­gen an Polizei und Jus­tiz, denn sie haben allzu oft gezeigt, dass sie ver­sagen und auch mit Neon­azis kooperieren, indem sie beispiel­sweise – wie in Hes­sen – Dat­en aus ihren Daten­banken weit­ergeben. Die Entwick­lun­gen rund um den soge­nan­nten NSU 2.0 zeigen dies deut­lich.
Stattdessen fordern wir alle, die diesem Spiel nicht länger taten­los zuse­hen wollen, auf, sich zu organ­isieren. Die Parole „Den antifaschis­tis­chen Selb­stschutz organ­isieren“ bedeutet ein kon­se­quentes Vorge­hen gegen Neon­azis und ihre Struk­turen, den Betrof­fe­nen von rechter Gewalt in Sol­i­dar­ität beizuste­hen und sich die Ursachen von Ras­sis­mus und Anti­semitismus in Deutsch­land klar zu machen.

Ein Anfang kann die Demon­stra­tion sein: Sol­i­dar­ität mit den Opfern rechter Gewalt – Die Tat­en beim Namen nen­nen! Faschis­tis­che Angriffe aufdeck­en und aufk­lären!
Kommt am 1. August 2020 nach Erfurt, 14 Uhr Hirschgarten!

Achtet auf die Hygien­evorschriften und tragt einen angemesse­nen Mund-Nasen-Schutz!

Datum:

1. August 2020    

Zeit:

14:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Hirschgarten
Erfurt

Veranstalter*in:

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