Class of ’16 — Zum Stand des Unbewusstseins in der klassenlosen Klassengesellschaft

27. April 2017 | 19:30

Spätestens seit dem Unter­gang der Sow­je­tu­nion schien auch die Arbeit­erk­lasse wie vom Erd­bo­den ver­schwun­den. Selb­st der Kassier­er oder die Call-Cen­ter-Mitar­bei­t­erin fir­mierten als Ich-AGs
und Arbeit­skraftun­ternehmer, und wer noch vom Pro­le­tari­at sprach, gab sich als unverbesser­lich­es Fos­sil zu erken­nen.

Seit let­ztem Jahr aber ist alles anders. Mit Brex­it und Trump, so der all­ge­meine Tenor, habe die Arbeit­erk­lasse sich mit Aplomb auf der poli­tis­chen Bühne zurück­gemeldet – wenn auch nicht mit schwieliger Pro­leten­faust, son­dern eher mit aus­gestreck­tem Mit­telfin­ger. An den Wahlur­nen, schlägt sich der Leitar­tikel selb­stan­klägerisch an die Brust, habe der kleine Mann erfol­gre­ich Rache an den Eliten genom­men, die dessen Sor­gen und Nöte so lange mis­sachtet hät­ten, und Rührstücke über das Elend der Abge­hängten und Entrechteten haben Hochkon­junk­tur. Alle
scheinen einig darin, dass pro­le­tarische Revolte heute genau das heißt: sich sel­ber ins Knie zu schießen und hof­fen, dass es anderen nochmehr weh tut.

Was das aus­sagt über das Bild der Pro­leten von sich selb­st, und das der Gesellschaft von ihrem Pro­le­tari­at, darüber soll es in dem Vor­trag gehen. Die Tat­sache, dass über­raschend viele Pro­leten (oder, umge­nauer zu sein: weiße Pro­leten) für den EU-Aus­tritt
Großbri­tan­niens und den Real­i­ty-TV-Faschis­ten ges­timmt haben, hat den prak­tis­chen Neben­ef­fekt, dass über die Ver­ant­wor­tung ander­er gesellschaftlich­er Schicht­en für das Debakel kaum mehr gesprochen wer­den muss. Dabei wäre all das Anlass genug,
sich weit mehr Sor­gen über den Geis­teszu­s­tand der Bour­geoisie als den des Pro­le­tari­ats zumachen: Was in aller Welt hat es zu bedeuten, wenn die herrschende Klasse wil­lens ist, ihre Geschäfte einem Kasper wie Trump anzu­ver­trauen – oder, vielle­icht noch besorgnis­er­re­gen­der: nicht in der Lage ist, einen solchen Unsinn zu ver­hin­dern?

Eine rev­o­lu­tionäre Sit­u­a­tion beste­ht nach Lenin, wenn die oben nicht mehr kön­nen und die unten nicht mehr wollen. Was aber, wenn es umgekehrt ist – wenn die da oben ihrer Herrschaft über­drüs­sig sind, aber die unten sie nicht gehen lassen wollen?
Auch darüber wird zu reden sein.

Datum:

27. April 2017    

Zeit:

19:30

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Veranstaltungsort:

Falken Laden­lokal
Thäl­mannstr. 26
Erfurt

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