Demonstration am 1. Mai 2017 in Suhl — Mobivortrag

15. April 2017 | 17:00

Am 1. Mai will in Gera der ras­sis­tisch-nation­al­is­tis­che Mob der als Partei getarn­ten Organ­i­sa­tion Der III. Weg um das ehe­ma­lige Freie Netz Süd auf­marschieren. Die Partei Der III. Weg fol­gt rhetorisch, inhaltlich und in ihren Aktio­nen der Agi­ta­tion „Freier Kam­er­ad­schaften“ und gibt sich antikap­i­tal­is­tisch. Die Losung „Kap­i­tal­is­mus zer­schla­gen – für Fam­i­lie, Heimat, Tra­di­tion“ im Aufruf macht dabei deren völkischen, antifem­i­nis­tis­chen und reak­tionären Charak­ter mehr als deut­lich.

Ersichtlich wird dies auch in ihren Pub­lika­tio­nen, in denen kein Hehl aus den miteinan­der ver­wobe­nen recht­en Ide­olo­gieele­menten gemacht wird. Von einem Geschicht­sre­vi­sion­is­mus, der deutsche Täter*innen zu Opfern verk­lärt, über verdeck­ten und offe­nen Anti­semitismus mit dem Aufruf zum Boykott israelis­ch­er Waren, bis hin zu mas­siv­er Frem­den­feindlichkeit, die sich in Pro­pa­gan­da gegen aus ihren Geburt­sre­gio­nen geflüchteten Men­schen aus­drückt.
Doch welche Inhalte ver­fol­gen die Nazis in ihrem Pro­gramm konkret? Als Hauptziel des III. Wegs wird die Errich­tung eines „deutschen Sozial­is­mus“ genan­nt. Ange­blich würde sich dieser gegen das ver­meintliche „Gle­ich­machen“, etwa eines Sozial­is­mus kom­mu­nis­tis­ch­er Prä­gung, wen­den. Tat­säch­lich richtet sich diese Idee jedoch vor allem gegen die frei­heitliche Gesellschaft und eine Plu­ral­ität der Lebensen­twürfe. Der III. Weg will ange­blich „die Per­sön­lichkeit fördern und fordern“, allerd­ings, um „bei jedem Einzel­nen die größt­mögliche Schaf­fen­skraft für das gesamte Volk zu erre­ichen“. Der hier imma­nente Volks­gedanke gepaart mit der Forderung nach einem starken Staat lässt Analo­gien zu den Wah­n­vorstel­lun­gen ein­er „Her­ren­rasse“ im drit­ten Reich erken­nen: Eine Aufw­er­tung des „deutschen Volkes“ kann nur durch Aus­gren­zung und Abw­er­tung ander­er funk­tion­ieren. Dass wir es beim III. Weg mit ein­er biol­o­gis­tisch argu­men­tieren­den Vari­ante des Nation­al­sozial­is­mus zu tun haben, zeigt auch der Wun­sch nach der „Erhal­tung und Entwick­lung der biol­o­gis­chen Sub­stanz des Volkes“ – neben der größen­wahnsin­ni­gen Forderung der „Wieder­her­stel­lung Gesamt­deutsch­lands in seinen völk­er­rechtlichen Gren­zen“.

Wenn also die Partei Der III. Weg am 1. Mai auf­marschiert, dann treten sie nicht mit der Forderung nach tat­säch­lichem Sozial­is­mus oder Antikap­i­tal­is­mus auf, son­dern im Sinne eines men­schen­ver­ach­t­en­den Nation­al­sozial­is­mus mit direk­ten inhaltlichen Bezü­gen zu den dama­li­gen Posi­tio­nen der Nation­al­sozial­is­ten.
Wen­ngle­ich die Beto­nung der Nazis auf Werten wie „Tra­di­tion“ liegt, haben sie kein­er­lei Beziehung zur his­torischen Entste­hung der 1.-Mai-Proteste, waren diese doch aus­gerichtet von het­ero­ge­nen Grup­pen der Anarchist*innen, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Gewerkschafter*innen und ander­er Arbeiter*innen jeglich­er Herkun­ft, die in die Pla­nun­gen und Umset­zung der Streiks von 1886 und Aktio­nen in diesem Kon­text involviert waren. Uns ist hin­länglich bewusst, dass die Geschichte um die Entste­hung und Fort­führung des 1. Mais nicht unkri­tisch betra­chtet wer­den sollte. Eben­so hal­ten wir den oft ver­wen­de­ten Ter­mi­nus ein­er „Arbeiter*innenklasse“ für dur­chaus diskus­sions­bedürftig. Den­noch ste­ht dieser Tag in ein­er Geschichte des weltweit­en Kampfes gegen die Aus­beu­tung der Men­schen durch den Kap­i­tal­is­mus und die Ein­schränkung der Frei­heit durch ver­schieden­ste reak­tionäre Akteur*innen, ganz gle­ich, ob Nazis in der „Tra­di­tion“ von 1933 ver­suchen, diesen Kampf als „nationalen“ zu instru­men­tal­isieren.

Nach Saalfeld und Plauen haben sich die Neon­azis des III. Wegs dieses Jahr Gera aus­ge­sucht. Vor allem kleinere (Groß-)Städte und Dör­fer sind sehr beliebt für Aufmärsche und als Pro­pa­gan­daorte für die Neon­azis. In solchen Orten erfahren sie meist mehr Rück­halt und tre­f­fen auf weniger Gegen­wehr. In dieser Atmo­sphäre kann an sozial schwache Struk­turen, prekäre Arbeitsver­hält­nisse, all­ge­meine Unsicher­heit­en sowie Frus­tra­tio­nen leicht angeknüpft wer­den. Durch die Abstiegs- und Ver­lustäng­ste viel­er Men­schen müssen (ver­meintlich) Schwächere als Sün­den­böcke her­hal­ten. Gle­ichzeit­ig wer­den ange­bliche Strip­pen­zieher als Feinde des Volkes stig­ma­tisiert. Der Wun­sch nach ein­fachen Lösun­gen kom­plex­er The­men und die Sehn­sucht nach dem „starken Staat“ machen es den Neon­azis leicht, mit ihren Ide­olo­giefrag­menten auf Zus­tim­mung zu stoßen. Dabei kom­men ihnen sog­ar noch die Auswirkun­gen eines kap­i­tal­is­tis­chen Sys­tems zugute, indem sie mit verkürzten und sym­bol­is­chen Darstel­lun­gen Stim­mung machen kön­nen.

Wir wollen die Prov­inz aufwühlen. Wir sehen es nicht ein, dass die Neon­azis heute oder an einem anderen Tag unbe­hel­ligt beziehungsweise sog­ar unter Zus­tim­mung von Teilen der Bevölkerung ihrer Het­ze Raum geben und ihr Agi­ta­tions­feld weit­er aus­dehnen kön­nen. Über­all dort, wo der III. Weg in der Ver­gan­gen­heit erfol­gre­ich auf­marschieren kon­nte, haben sich Struk­turen gebildet und ver­fes­tigt, wur­den Ortsver­bände oder Bürger*innenbüros gegrün­det. Ras­sis­mus und Nation­al­is­mus sind in viel zu vie­len All­t­ags­bere­ichen eine Nor­mal­ität, die sich immer offen­siv­er äußert und welch­er das Fun­da­ment ent­zo­gen wer­den muss. Wir wollen und müssen unter­drück­enden Ide­olo­gien, die sich gegen­seit­ig bee­in­flussen und stärken, ent­ge­gen­wirken. Wir kön­nen nicht nur einzelne Frag­mente über­winden. Es bedarf ein­er antikap­i­tal­is­tis­chen Gegen­be­we­gung, die auf Plu­ral­ität set­zt und gle­ichzeit­ig alle Herrschafts­for­men in den Blick­winkel der Kri­tik rückt. Vom Anti­semitismus, über den Kul­tur­al­is­mus, die LGBTIQ*- Feindlichkeit, den Sex­is­mus, bis hin zum eth­nozen­trischen Ras­sis­mus sind diese zugle­ich alle Ele­mente rechter Ide­olo­gie.

Die falsche „Gesellschaft­skri­tik“ des III. Wegs darf nicht unwider­sprochen bleiben. Eine Kri­tik an den herrschen­den Ver­hält­nis­sen muss eine Reflex­ion über auss­chließende Men­schen­bilder eben­so bein­hal­ten wie eine stetige Selb­stkri­tik und Selb­stre­flex­ion unseres Han­delns und Denkens, um sich solch­er Ideen, wie sie die III.-Weg-Nazis propagieren, zu erwehren. Dabei darf vor zivilge­sellschaftlichen Struk­turen, Vere­inen, Parteien und Ver­bän­den nicht Halt gemacht wer­den. Wenn also am 1. Mai der DGB, zu dem auch die Polizeigew­erkschaft gehört, in vie­len deutschen Städten erneut mit Parteien wie der CDU auf die Straße geht, muss allen klar sein, dass damit kein Miss­stand in seinen Ursachen ange­gan­gen wird – im Gegen­teil. Die demokratis­chen gesellschaftlichen Bere­iche müssen über­denken, mit wem sie Schul­ter­schlüsse vol­lziehen. Sie begeben sich wieder­holt in die kom­fort­able Zone rit­u­al­isierten Protestes und bilden beden­kliche Allianzen mit den Insti­tu­tio­nen, die gesellschaftlich ver­ankerte Macht- und Diskri­m­inierungsmech­a­nis­men (re-)produzieren.

Eine Demo ist keine Lösung dieser Prob­leme. Wir müssen Freiräume schaf­fen und unseren Umgang miteinan­der über­denken. Wir müssen Unter­drück­ung im sozialen Umfeld, der Schule, auf Arbeit, kurz gesagt in allen Bere­ichen des Lebens, entsch­ieden zurück­weisen. Gle­ichzeit­ig geht es darum, das Bewusst­sein über ökonomis­che Abläufe zu ver­bre­it­en und zu erweit­ern und der Ver­w­er­tungslogik ent­ge­gen­zuwirken, sowie neue For­men des Miteinan­ders abseits von Kap­i­ta­lakku­mu­la­tion zu erforschen. Wenn wir ein gutes Leben wollen, dann müssen wir ler­nen, aufeinan­der zu acht­en und miteinan­der zu han­deln, Herrschaft zu the­ma­tisieren und Wege ihrer Über­win­dung find­en. Dazu gehört allerd­ings auch an Tagen wie dem 1. Mai den reak­tionärsten Kräften entsch­ieden ent­ge­gen­zuwirken.
Wir wis­sen, dass die poli­tis­chen Struk­turen in den Prov­inzen, den Kle­in­städten und ländlichen Regio­nen andere sind als in den Großstädten. Doch auch hier wider­set­zen sich Men­schen aktiv men­schen­feindlichen Ein­stel­lun­gen. Zeigt Sol­i­dar­ität mit denen, die dafür Tag für Tag ein teil­weise exis­ten­zielles Risiko einge­hen. Sup­port­et die, die den manch­mal aus­sicht­s­los scheinen­den Wider­stand gegen deutsche Zustände und Nazis wie die des III. Wegs auch abseits der Szenekieze leisten.Daher rufen wir zu unser­er Demo am 1. Mai um 10 Uhr am Haupt­bahn­hof Gera auf. Lasst uns Inhalte zur Diskus­sion stellen, entschlossen und direkt sein. Lasst uns den Nazis den Raum nehmen, den sie für sich und ihre men­schen­ver­ach­t­en­den Ein­stel­lun­gen und Hand­lun­gen beanspruchen wollen.

Die Prov­inz aufwühlen, Anti­ras­sis­mus umset­zen und Sol­i­dar­ität leben.
Antifa bleibt auch Lan­dar­beit.

Datum:

15. April 2017    

Zeit:

17:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

AK40
Lauter 40
Suhl

Veranstalter*in:

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