Hal­lo cis-Män­ner,

viele von euch treten inzwis­chen Fem­i­nis­mus-sol­i­darisch auf, viele von euch haben inzwis­chen „die richtige Sprache drauf“, schreiben „die richti­gen Sachen“. Die meis­ten von euch sehen es wahrschein­lich nach dem in den let­zten Wochen öffentlich gemacht­en Aus­maß an patri­ar­chaler Gewalt auch als notwendig, jet­zt gegen patri­ar­chale Gewalt auf die Straße zu gehen.
Doch in der Prax­is, jen­seits von The­o­rie und Szene-Stan­dards, näm­lich immer dann wenn es per­sön­lich wird, wenn euer eigenes Ver­hal­ten kri­tisiert wird, wenn die fem­i­nis­tis­che Kri­tik euch selb­st bet­rifft, euer Ver­hal­ten von männlich­er Dom­i­nanz, eure Sex­is­men, eure Entsol­i­darisierun­gen, reagieren soviele von euch nach­wievor mit Abwehr, mit Angriff, mit Flucht… Ver­weigert ihr Selb­stre­flek­tion und Arbeit an euch selb­st, oder nehmt sie nicht wirk­lich ernst, macht sie nur hal­b­gar, so dass die Kon­flik­te gle­ich wieder auftreten.
Eure Teil­nahme an fem­i­nis­tis­chen Demos führt deshalb oft dazu, dass Frauen*/FLINT* sich dort dann unwohl, nicht sich­er oder geschwächt fühlen, in einem Dilem­ma wiederfind­en, weil per­sön­lich patri­ar­chale Erfahrun­gen mit euch gemacht wur­den, ihr euch nach außen und öffentlich aber stark macht für den Fem­i­nis­mus.
Wir kön­nen deshalb oft noch nicht erken­nen, dass ihr das „Pri­vate ist Poli­tisch“ wirk­lich ver­standen habt.
Ein Beispiel für diesen Wider­spruch ist auch, wenn ihr fem­i­nis­tis­che Parolen aus voller männlich dom­i­nan­ter Kehle dröh­nt, und dabei die FLINT*-Rufenden übertönt.

Wir sehen, dass einige von euch kri­tis­che Männlichkeit­sar­beit machen, und das tröstet uns, gibt uns Hoff­nung. Wir sehen aber auch, dass dies zumeist nur vere­inzelt, nur manch­mal, nur kurz oder in exk­lu­siv­en Kreisen passiert.
Wir kön­nen aber nicht EINE SEKUNDE länger darauf warten, dass ALLE von euch sich jet­zt mit vollem Ein­satz in anti-patri­ar­chale Arbeit rein­hän­gen, dass ihr in allem was ihr tut einen antipa­tri­ar­chalen Anspruch ver­fol­gt!
WIR WOLLEN KEINE EINZIGE GEWALTERFAHRUNG MEHR ERLEBEN! BEI UNS FANGEN WIR AN! IN UNSERER SZENE!
Wenn ihr untere­inan­der ver­bun­den­er wärt, dann würdet ihr mit­bekom­men, dann müsstet ihr inter­ve­nieren, wenn eure Fre­unde, eure Genossen, eure Mit­be­wohn­er Frauen*/FLINT*-Personen mis­sacht­en, aus­nutzen, miss­brauchen. Ver­dammte Scheiße!!!

Jed­er von euch ist auch neg­a­tiv vom Patri­ar­chat betrof­fen. Das Patri­ar­chat beraubt euch eur­er Men­schlichkeit, Zärtlichkeit, Ver­let­zbarkeit… Den Anteilen in euch, die sich nach Verbindung und Ver­bun­den­heit, Hingabe und Koop­er­a­tion sehnen.
Wir sehen nicht, dass das Aus­maß dessen, was euch das Patri­ar­chat beraubt, wirk­lich schon bei euch angekom­men ist. Son­st müsste euch der enorme Lei­dens­druck genau wie uns dazu drän­gen, dem Patri­ar­chat den per­ma­nen­ten Kampf anzusagen.

Auch wir müssen antipa­tri­ar­chale Arbeit machen, auch wir haben weit­er­hin viel zu ler­nen, um patri­ar­chale Struk­turen und Gewalt in uns und unter FLINT* zu über­winden.
Wie es FLINT*-Organisierung und Ver­net­zung in Jena braucht, braucht es anti-patri­ar­chale, kri­tisch-männliche Organ­isierung und Ver­net­zung von cis-Män­nern. Und es braucht sie JETZT! Wir wollen mit euch zusam­men kämpfen, aber ihr macht das unmöglich wenn ihr keine anti-patri­ar­chalen Prozesse macht!

Deshalb fordern wir euch hier­mit auf, dass ihr, während wir FLINT*/ Frauen* auf der Straße demon­stri­eren, euch zu ein­er gemein­samen anti-patri­ar­chalen Auseinan­der­set­zung zusam­men­zuset­zt.
Wir geben euch für die antipa­tri­ar­chale Auseinan­der­set­zung fol­gende Fra­gen an die Hand:

1 Was heißt für euch Patri­ar­chat?
Was heißt für euch patri­ar­chale Gewalt?
2 Was sind deine patri­ar­chalen Eigen­schaften?
3 Welchen Umgang hast du damit und was sind deine Strate­gien dage­gen?
4 Gibt es einen nicht-patri­ar­chalen Mann*?
Wie sieht der aus?

5 Wie kön­nen und wie soll­ten cis-Män­ner auf patri­ar­chale Gewalt reagieren?
6 Welche anti-patri­ar­chale Organ­isierung und Ver­net­zung von cis-Män­nern gibt es in Jena? Welche anti-patri­ar­chale Organ­isierung und Ver­net­zung braucht Jena?
7 Mit welchen konkreten weit­eren Schrit­ten kön­nt ihr jet­zt aus diesem Tre­f­fen gehen?

- Wählt/organisiert einen Ort für die antipa­tri­ar­chale Auseinan­der­set­zung, macht ihn dann öffentlich
— Übernehmt Struk­turierung und Mod­er­a­tion der antipa­tri­ar­chalen Auseinan­der­set­zung
— Fangt cis-Män­ner, die auf die Demo gehen wollen ab, und bringt sie an diesen Ort

Am lieb­sten wäre uns, wenn eine FLINT*-Person dabei wäre, zur gle­ichen Zeit wün­schen wir uns alle FLINT*-Personen auf der Demo. Warum? Die Erfahrung hat gezeigt, dass wenn sich cis-Män­ner zu kri­tis­ch­er Männlichkeit­sar­beit tre­f­fen, viel Mist passiert, sich in patri­ar­chalem Ver­hal­ten selb­st bekräftigt oder ver­bün­det wird. Deshalb wollen wir einen Bericht über dieses Tre­f­fen.
Wir wollen wis­sen, wieviele von euch da waren. Wir wollen wis­sen, mit welchen Ergeb­nis­sen ihr raus­ge­gan­gen seid. Wir erwarten, dass ihr uns über eure Ergeb­nisse über die szenebekan­nten öffentlichen Wege Bericht erstat­tet.
Zur sel­ben Zeit sehen wir, dass es einen geschützten Rah­men braucht, um erst­mal alles offen ansprechen zu kön­nen. Deshalb entschei­det selb­st, wie aus­führlich dieser Bericht aus­fällt.

Wir sehen, dass ihr Angst vor­einan­der habt, Angst, euch vor­einan­der Schwäche und Fehler einzugeste­hen, bloß gestellt zu fühlen. Wir sehen, wie schw­er es euch fällt, euch miteinan­der zu verbinden. Ger­ade dann, wenn keine FLINT*-Person Brück­en zwis­chen euch baut oder Honig zwis­chen euch kleis­tert. Und all das ist Patri­ar­chat. Und all das gilt es jet­zt zu ver­ler­nen.
Macht eure Kamp­fansage! (und sie ist eine andere als die unsere)

Test: Hat dieser Aufruf Abwehr in dir aus­gelöst?
Wenn du dich von dieser Auf­forderung ange­grif­f­en fühlst, kannst du dich noch nicht als fem­i­nis­tis­chen Ver­bün­de­ten beze­ich­nen.

Wir = Alle momen­ta­nen FLINT*-Organisator*innen der Demo