Den Wiener Akademikerball unmöglich machen!

30. Januar 2015 | 17:00

Den Wiener Akademikerball unmöglich machen!

Für ein Ende der Gewalt!

Am 30. Jän­ner 2015 find­et zum drit­ten Mal der Wiener Akademiker­ball in den repräsen­ta­tiv­en Räum­lichkeit­en der Wiener Hof­burg statt. Ort und Ver­anstal­terin des Balls, die Wiener Lan­des­gruppe der FPÖ, geben Auskun­ft darüber, wie gesellschafts­fähig Burschen­schafter und ihre ide­ol­o­gis­chen Ver­satzstücke wie Anti­semitismus, Sex­is­mus, Män­ner­bün­delei, Homo­pho­bie und Ras­sis­mus in Öster­re­ich sind.

Wir sind als autonomes, antifaschis­tis­ches Bünd­nis ange­treten, um den Akademik­er- bzw. WKR-Ball unmöglich zu machen. Dies ist uns in zweier­lei Weise gelun­gen: Erstens haben unsere kon­tinuier­lichen Proteste den Ball mit all seinen Hässlichkeit­en ins Licht der Medi­en gez­er­rt. Teile der öster­re­ichis­chen Gesellschaft kom­men nicht mehr umhin, die Unmöglichkeit des Balls anzuerken­nen. Zweit­ens wurde auf den Straßen Wiens durch Block­aden und Mil­i­tanz direkt etwas gegen den rei­bungslosen Ablauf des einst für die europäis­che Rechte so wichti­gen Balls unter­nom­men. Dieser hat mit sink­enden Besucher_innenzahlen und einem mehr als nur angekratzten Image so sehr zu kämpfen, dass wir sagen, lasst es uns ein let­ztes Mal tun, lasst uns dem Akademiker­ball den Todesstoß ver­set­zen!

Wir sehen in Antifaschis­mus keinen Selb­stzweck, son­dern die Notwendigkeit die bürg­er­liche, kap­i­tal­is­tis­che Gesellschaft vor ihren eige­nen Krea­turen zu schützen. Die Rechte dro­ht, die Zumu­tun­gen und Gewalthand­lun­gen des Kap­i­tal­is­mus noch zu steigern, sie ste­ht für die neg­a­tive Zus­pitzung der kap­i­tal­is­tis­chen Nor­mal­ität.

Das gute Leben wird also nur ohne sie zu haben sein. Das heißt für uns, dass wir sie weit­er­hin dort angreifen wollen, wo es ihnen weh tut. Wenn es in Zukun­ft Orte und Gele­gen­heit­en geben wird, die hier­für bess­er als der Ball geeignet sind, so wer­den wir diese nutzen um unsere Feind­schaft auf die Straße zu tra­gen.

Unser Erfolg wurde von staatlich­er Seite mit Repres­sion beant­wortet, hier­für wurde der Bogen der Rechtsstaatlichkeit weit überspan­nt, um uns als Antifaschist_innen einzuschüchtern. Die Entschei­dung wann es mit dem Protest reicht, lassen wir uns jedoch nicht nehmen – denn den Akademik­er-Ball, wofür er ste­ht und was an diesem Abend in der Hof­burg gefeiert wird, hinzunehmen, würde bedeuten hinzunehmen, dass sich die jet­zt schon unerträglichen Ver­hält­nisse weit­er ver­schlechtern kön­nten.

Von­seit­en der Medi­en, bis hinein ins lib­erale Spek­trum und von­seit­en der Poli­tik, bis hin zur Grü­nen Partei, wurde unser Erfolg mit Dele­git­imierungsver­suchen beant­wortet.

Im Dis­tanzierungswet­t­lauf war sich kaum jemand zu dumm, Sachbeschädi­gun­gen durch Linke auf die selbe Stufe mit der Gewalth­is­to­rie der deutschna­tionalen Burschen­schaften zu stellen. Von ihrer aktiv­en Beteili­gung am NS abge­se­hen, haben Burschen­schafter auch nach 1945 mit dem Mor­den nicht aufge­hört. Auf ihr Kon­to geht etwa der Totschlag des KZ-Über­leben­den und kom­mu­nis­tis­chen Wider­stand­skämpfer Ernst Kirch­weger durch Gün­ther Kümel 1964; Kümel war Mit­glied im extrem recht­en Ring Frei­heitlich­er Stu­den­ten und schla­gen­der Burschen­schafter.

Nach den Protesten im Jän­ner 2014 ent­bran­nte in Medi­en und Poli­tik eine hitzige Gewalt­de­bat­te. Wir hät­ten uns eine Debat­te über Polizeige­walt gegen linke Demon­stra­tio­nen oder bei Abschiebun­gen, über sex­u­al­isierte Gewalt und Arbeit­szwang schon früher gewün­scht, wer­den wir doch täglich Zeug_innen dieser Gewalt oder erfahren sie an unseren eige­nen Leibern. Allein, davon han­delte die Debat­te nicht, es ging um die ange­sproch­enen Sachbeschädi­gun­gen in der Wiener Innen­stadt.

Diese Debat­te um den Gewalt­diskurs lässt tief in die Ver­fass­theit des öster­re­ichis­chen Staats und sein­er Gesellschaft blick­en. Der ehe­ma­lige Burschen­schafter und derzeit­ige Wiener Polize­ichef Pürstl benen­nt als zen­tralen Punkt für die kom­menden Proteste „Unbeteiligte, wie jene, deren Eigen­tum beschädigt wurde, bess­er zu schützen“. Die absurde Behaup­tung, man kön­nte Din­gen Gewalt antun zeigt, wie weit die Verd­inglichungsleis­tung der Sub­jek­te im Kap­i­tal­is­mus, denen der Schutz von Eigen­tum min­destens so wichtig erscheint, wie die Unversehrtheit von Men­schen, fort­geschrit­ten ist.

Der Gewalt­be­griff, der durch­wegs ver­wen­det wird, ist undif­feren­ziert, ver­logen und falsch. Der bürg­er­lichen Gesellschaft erscheint Gewalt nur mehr als solche, wenn sie als das Andere, als etwas ihr Fremdes iden­ti­fiziert wird. Hier zeigt sich auch eine Fasz­i­na­tion für das Spek­takel, als welch­es der als Aus­nah­mezu­s­tand wahrgenommene Kon­trast zum All­t­ag fungiert. Dass die Mehrheit aller Men­schen vom kon­sum­ier­baren Luxus der Wiener Innen­stadt aus­geschlossen wird, erscheint nor­mal, während das Kaputtmachen von Fen­ster­scheiben am sel­ben Ort als spek­takulär und verurteilenswert emp­fun­den wird.

Die his­torische Genese des Kap­i­tal­is­mus und des Staates gehören zur blutig­sten Epoche der Welt­geschichte. Patri­ar­chale Gewaltver­hält­nisse waren für die Her­aus­bil­dung kap­i­tal­is­tis­ch­er Herrschaft kon­sti­tu­tiv, diese tradieren und trans­formieren sich bis in die Gegen­wart. Die Begriffe Ursprüngliche Akku­mu­la­tion und Kolo­nial­is­mus fassen mit Mühe das Lei­den, die Aus­beu­tung und den gewalt­samen Tod von Mil­lio­nen von Men­schen, welche mit äußer­ster Bru­tal­ität in Lohn­ver­hält­nisse oder Sklaverei gezwun­gen wur­den. Diese direk­te Gewalt­tätigkeit lässt sich heute an den Periph­e­rien des kap­i­tal­is­tis­chen Mark­ts beobacht­en und dringt immer stärk­er auch in die Zen­tren und Metropolen.

Hier herrscht der stumme Zwang ver­w­ert­bar und pro­duk­tiv zu sein; wer nichts zu einem Wirtschaftssys­tem, dessen Sinn und Zweck es ist, aus Wert Mehrw­ert zu schaf­fen, beitra­gen kann oder will, gehört zu den Über­flüs­si­gen und wird dementsprechend behan­delt. Die Gewalt­frei­heit der bürg­er­lichen Gesellschaft ist nichts, als die Über­tra­gung der Gewalt an ein staatlich­es Monopol, eine Grund­vo­raus­set­zung für den freien und ungestörten Warentausch. Diese Gewalt­frei­heit ist also nichts, als die per­ma­nente Andro­hung von Gewalt gegen all jene, die ihre Bedürfnisse über die der kap­i­tal­is­tis­chen Pro­duk­tion­sweise stellen. Die Wenig­sten ver­suchen diesen Schritt aus der priv­i­legierten Posi­tion der Überzeu­gung, son­dern vielmehr aus pur­er Not. Die Toten an den mil­i­tarisierten europäis­chen Außen­gren­zen sind hier­für trau­rige Beispiele.

Der Kap­i­tal­is­mus ist nicht dazu ein­gerichtet unsere Bedürfnisse zu befriedi­gen, son­dern Prof­it zu schaf­fen. So kommt es zur absur­den Sit­u­a­tion, dass inmit­ten des Reich­tums Men­schen mit Gewalt von diesem getren­nt wer­den. Hier­für wird physis­che Gewalt von der Gesellschaft delegiert und in den Delegierten ver­leugnet. So erscheinen die hochgerüsteten Polizeiein­heit­en nicht gewalt­tätig, son­dern als Bewahrer der Gewalt­frei­heit der bürg­er­lichen Gesellschaft.

Pro­duk­tivkraft­steigerun­gen, ver­bun­den mit der aktuellen Ver­w­er­tungskrise des Kap­i­tals, machen mehr und mehr Men­schen in der kap­i­tal­is­tis­chen Pro­duk­tion über­flüs­sig. Diese fliehen nicht sel­ten in reak­tionäre Ide­olo­gien wie Nation­al­is­mus, Anti­semitismus oder Islamis­mus, um zumin­d­est einen prekären Sub­jek­t­sta­tus zu behal­ten, sind sie doch eigentlich wert­los gewor­den. Herrschafts- und Unter­drück­ungsver­hält­nisse wie Ras­sis­mus und Sex­is­mus ermöglichen es, sich zumin­d­est nicht am unter­sten Ende der Hack­o­rd­nung wieder zu find­en. Diese Ide­olo­gien kollek­tiv­er Iden­tität legit­imieren den Zugang zu oder Auss­chluss von gesellschaftlichen Ressourcen, führen zu Ressen­ti­ments und gewaltvollen Über­grif­f­en.

Wenn wir von Gewalt sprechen, dann meinen wir diese gewalt­täti­gen Ver­hält­nisse, und wenn wir ein Ende der Gewalt fordern, fordern wir ein Ende dieser Ver­hält­nisse.

Wenn wir für die Aufhe­bung der gewaltvoll ver­fassten bürg­er­lichen Gesellschaft demon­stri­eren und ein­treten, so machen wir dies stets im Wis­sen, dass diese Aufhe­bung auch im Neg­a­tiv­en passieren kann, wie aktuell etwa der IS und his­torisch der Nation­al­sozial­is­mus zeigen und gezeigt haben.

Die Teile der Gesellschaft, die die jet­zi­gen Ver­hält­nisse noch ver­schlim­mern wollen, rufen in uns Hass her­vor. Wir wollen sie nicht tolerieren, da eben an dieser Stelle Tol­er­anz in ihr repres­sives Moment umschlägt. Diejeni­gen zu tolerieren, die es verun­möglichen wollen, dass wir alle ohne Angst ver­schieden sein kön­nten, würde bedeuten, sich ein für alle mal von der Hoff­nung auf etwas Besseres als die gewalt­för­mige kap­i­tal­is­tis­che Nor­mal­ität zu ver­ab­schieden.

Auch wenn der Kampf gegen Rechte und ihre Ide­olo­gien in erster Lin­ie ein antikap­i­tal­is­tis­ch­er sein muss, ist es sin­nvoll und wichtig, sie konkret in ihren Hand­lungsmöglichkeit­en einzuschränken. Hier­bei von Mil­i­tanz Abstand zu nehmen, erscheint in Anbe­tra­cht der beständig herrschen­den und anwe­senden Gewalt absurd. Mil­i­tanz ist jedoch kein Selb­stzweck, son­dern muss je nach Sit­u­a­tion beurteilt wer­den und ist nur so gut, wie die Gesellschaft­skri­tik, die sie motiviert. Durch zivilen Unge­hor­sam, Mil­i­tanz und eine Linke, die sich ihr Han­deln nicht von Geset­zbüch­ern dik­tieren lässt, kann die gewalt­tätige Nor­mal­ität her­aus­ge­fordert und ihr gele­gentlich ein Stück Emanzi­pa­tion abgerun­gen wer­den, wie etwa die Stonewall- und Hay­mar­ket-Riots zeigen. Nur, wenn wir dem Beste­hen­den gegenüber unver­söhn­lich bleiben und hier­für alle Mit­tel ergreifen, die uns sin­nvoll erscheinen, bleibt emanzi­pa­torische Verän­derung denkbar.

Den Akademiker­ball unmöglich machen! Für ein Ende der Gewalt!

Datum:

30. Jan­u­ar 2015    

Zeit:

17:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Wien

Karl­splatz

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