20. Januar 2015 | 18:15
Die dunkle Seite der Universität: Antisemitismus und antimuslimische Vorurteile Studierender
Prof. Dr. Wassilis Kassis, Osnabrück
Im Rahmen der Ringvorlesung: Angegriffene Demokratie — Befunde und Gegenmittel
Nach dem Bekanntwerden der langjährigen Wirkung, der intensiven Vernetzung sowie der brutalen Morde und weiterer Straftaten des NSU richtete sich die Aufmerksamkeit bislang vorrangig auf das Versagen der Sicherheitsbehörden und die unbedingt notwendige strafrechtliche Aufarbeitung der Morde sowie die Offenlegung des unterstützenden Netzwerkes. Weitergehende Konsequenzen lassen sich aber bisher nur schwerlich erkennen, auch wenn die Debatten beispielsweise um eine Reform des Verfassungsschutzes im Bund und in den Ländern seitdem kontinuierlich anhalten. Die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen in seiner jeweiligen beruflichen und privaten Rolle erfährt noch kaum hinreichend Aufmerksamkeit. Eine notwendige kritische Auseinandersetzung mit dem durch Vorurteile geprägten und an Stereotypen orientierten Handeln der beteiligten Strafermittler findet – wenn überhaupt – nur noch am Rande statt.
Für die Entwicklung demokratischer Werthaltungen und Einstellungen ist es daher unabdingbar, die Möglichkeiten, Wirkungen und Grenzen von Bildungsangeboten und Lerngelegenheiten umfassend und erheblich verstärkt in den Blick zu nehmen. Zwar kann eben nicht erwartet werden, dass sich durch Bildung nahezu zwangsläufig sämtliche demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Einstellungen beheben lassen – anlog zu einem Reparaturbetrieb für gesellschaftsbedeutsame Defekte und Normdurchsetzung. Doch ist ebenso unbestritten, dass Lernen und Bildung gesamtgesellschaftlich gesehen immer noch die größten Interventionskorridore gegen die Herausbildung von Vorurteilen, Menschenverachtung und der Bereitschaft zur rechten Gewalt darstellen.
In der Beurteilung der Wirkung von Angeboten der Demokratieerziehung muss das Handeln von professionellen pädagogischen Fachkräften ebenfalls kritisch betrachtet werden. Der Umgang mit Heterogenität und die Anerkennung von Vielfalt ist zwar für professionell Handelnde eine Schlüsselkompetenz, die erlernt und verstanden werden muss, und die sich nachweislich nicht allein durch die berufliche Qualifikation ergibt.
Die Fragen, die sich summa summarum ergeben, sind dennoch die Folgenden: Wie muss man in Bildungseinrichtungen vorgehen, um demokratiefeindlichen Bestrebungen entgegentreten zu können? Welchen Einfluss übt dabei das soziale Miteinander im Austausch mit anderen auf die Entwicklung von Einstellungen aus? Welche Gegenstände und Formen des Wissens sind unabdingbar vorauszusetzen? Wie aber kann v. a. vorhandenes oder erwerbbares Wissen in belastbare prodemokratische Werthaltung und abrufbare Handlungskompetenz für Demokratie und gegen Rechtsextremismus und menschenverachtende Vorurteile weitergeführt werden?
Für das Wintersemester 2014 ist von Seiten des Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine interdisziplinäre Ringvorlesung geplant, die Wissenschaft und Praxis mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen in einen Dialog bringen und den Gegenstand auf Ebene eines „studium generale“ in der Universität ansprechen möchte.
Projektleiter: Prof. Dr. Peter Fauser
Mitarbeiter: Mario Förster
Partner: Denkbunt, Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, Demokratisch Handeln, Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik,