15. Oktober 2015 | 18:30
Vortrag und Diskussion mit Philipp Schweizer
Noch vor 50 Jahren schienen die Fronten klar: die Erinnerung an den Nationalsozialismus richtete sich nicht nur gegen das Schweigen der eigenen Väter und Onkel, sondern auch das er gesamten deutschen Öffentlichkeit. Diese wollte lieber auf eine große Zukunft Deutschlands hinarbeiten und dazu einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen, anstatt sich mit der Erinnerung an die abzugeben, die im Namen Deutschlands und seiner Zukunft ermordet wurden. Vor diesem Hintergrund schien jedes Erinnern ein Angriff auf den emsigen Wiederaufbau und Ruhe und Ordnung zu sein – kurz es war praktische Subversion.
Heute hat die offizielle Politik hingegen eine umfassende Erinnerungskultur etabliert. Bei Gedenkveranstaltungen zur Befreiung von Auschwitz oder zum Ende des Nationalsozialismus in Bundestag und ‑rat zitiert man sogar einen Theodor W. Adorno. Dabei hatte dieser seinen Vortag von 1959 zur Aufarbeitung der Vergangenheit damit geschlossen, dass diese erst aufgearbeitet war, wenn die „Ursachen des Vergangenen beseitigt wären“ und dachte dabei an die praktische Beseitigung des Kapitalismus.
Der Vortrag vergegenwärtigt zunächst die Überlegungen aus Adornos Vortrag „Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit“ (1960), um in Anschluss an diese die Veränderungen des öffentlichen Gedenkens in den letzten 35 Jahren zum umreißen und die Frage aufzuwerfen vor welcher Aufgabe das Erinnern an den Nationalsozialismus heute steht.