Fallstricke der Emanzipation. Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

14. Mai 2025 | 18:15–20:30

Alle Ver­hält­nisse umzuw­er­fen, in denen der Men­sch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein ver­lassenes, ein verächtlich­es Wesen ist. Bess­er lassen sich Anspruch und Pro­gramm men­schlich­er Emanzi­pa­tion nicht auf den Punkt brin­gen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke The­o­rie und Prax­is jedoch ganz anders aus. Was längst über­wun­den sein sollte, lebt auch in vie­len linken und linksradikalen Struk­turen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangs­ge­mein­schaften und von Men­schen über andere Men­schen.

Das kann sich in Männlichkeit­skult und sex­is­tis­chem Ver­hal­ten äußern, in der Vor­liebe fürs Agi­tieren statt fürs Argu­men­tieren oder in der Vorstel­lung, antifaschis­tis­che Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeit­erk­lasse“ berufen. Der Griff in die Mot­tenkiste staatssozial­is­tis­ch­er Partei­dik­taturen und Sym­pa­thie für autoritäre Führergestal­ten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richti­gen Führer, kor­re­liert zudem mit zwei eben­so absur­den wie fol­gen­re­ichen Fehlein­schätzun­gen: Nation­al­sozial­is­mus und Anti­semitismus seien die Folge rechter Ver­führungskün­ste und bürg­er­lich-rechtsstaatliche Ver­hält­nisse seien let­ztlich eben­falls „faschis­tisch“.

Autoritäres lebt auch in einem „Anti­im­pe­ri­al­is­mus“, der den West­en grund­sät­zlich immer zum „eigentlich Schuldigen“ an inter­na­tionalen Kon­flik­ten erk­lärt und dabei den Charak­ter autoritär­er Regime ignori­ert oder rel­a­tiviert. Regres­sives kann sich auch in gut gemein­ter anti­ras­sis­tis­ch­er Absicht ver­steck­en. Unterord­nung von Indi­viduen unter Zwangs­ge­mein­schaften gibt es auch in Form unre­flek­tiert­er Vertei­di­gung für sakrosankt erk­lärter „Kul­turen“, denen Men­schen zuge­ord­net wer­den. Und wo Anti­semitismus als eine Art Ras­sis­mus missver­standen wird, ist man blind für eine wahn­hafte „Wel­terk­lärung“, die in Krisen­zeit­en rasend schnell um sich greifen und zum mörderischen Flächen­brand wer­den kann.

Mit unver­standen­er Dynamik regres­siv­er Krisen­ver­ar­beitung hat auch eine weit­ere Form des Autoritären zu tun: Die Pro­jek­tion der faschis­tis­chen Gefahr auf ein ver­meintlich Äußeres – häu­fig auf „den“ Islam. Ein­sicht­en in die Genese des Anti­semitismus kön­nen so ver­schüt­tet und Dis­tanz zu „recht­spop­ulis­tis­chen“ Posi­tio­nen ver­loren wer­den.

Was unter­schei­det Kap­i­tal­is­muskri­tik von antikap­i­tal­is­tis­chem Ressen­ti­ment? Welche Min­destanforderun­gen müssen emanzi­pa­torische Bewe­gun­gen erfüllen?

Lothar Galow-Berge­mann begann 1971 in der Krankenpflege zu arbeit­en und war aktiv­er Gew­erkschafter und Per­son­al­rat im Klinikum Mannheim und im Klinikum Stuttgart. Er hält die Über­win­dung des Kap­i­tal­is­mus für drin­gen­der denn je, ken­nt aber auch die Verir­run­gen link­er Holzwege und glaubt, man sollte aus ihnen ler­nen. Er schreibt u.a. für Jun­gle World und Emma und Fritz.

 

Mit Lothar Galow-Berge­manns Vor­trag zur Ver­gan­gen­heit und Aktu­al­ität autoritär­er Ten­den­zen in der Linken bestre­it­en wir, die Linksju­gend [’sol­id] Jena, den zweit­en Teil unser­er im April mit einem ein­führen­den Vor­trag von Peter Schulz begonnenen Vor­tragsrei­he „Neue Sehn­sucht nach dem »starken Mann«? Die gesellschaftlichen Grund­la­gen des Autori­taris­mus und aktuelle autoritäre Ten­den­zen in Poli­tik und Gesellschaft“ im Som­merse­mes­ter 2025.

Am 12.06.2025 geht es dann weit­er mit einem Vor­trag von Cor­nelius Helmert (Insti­tut für Demokratie und Zivilge­sellschaft Jena), der über das The­ma „Base­ballschläger­jahre 2.0 oder kurz­er Tik­Tok-Trend? — Ursachen und Aus­prä­gun­gen des erstark­enden Recht­sex­trem­is­mus bei Jugendlichen“ referieren wird. Weit­ere Ver­anstal­tun­gen sind aktuell noch in Pla­nung und wer­den rechtzeit­ig angekündigt.

Datum:

14. Mai 2025    

Zeit:

18:15–20:30

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Sem­i­nar­raum 317
Carl-Zeiß-Straße 3
Jena

Veranstalter*in:

Linksju­gend [’sol­id] Jena