Jeja Klein – Zum Fortleben sexueller Gewalt in aufgeklärten und linken Kreisen

23. Oktober 2020 | 18:00–21:00

Aufgek­lärte Kreise und linke Milieus gerieren sich gern als Gegen­pol zu Phänome­nen wie Ras­sis­mus, Sex­is­mus, Homo­pho­bie oder Anti­semitismus. Schilder in linken Läden lassen etwa ver­laut­en, Sex­is­mus werde hier schlicht nicht geduldet. Doch warum hält sich etwa sex­uelle Gewalt so hart­näck­ig in diesen Kreisen? Davon zeu­gen nicht zulet­zt die ständi­gen Auseinan­der­set­zun­gen, die vor allem Frauen zum Beispiel mit ehe­ma­li­gen Part­nern führen müssen. Diese Kon­flik­te bilden jedoch nur die Spitze des Eis­bergs dessen, was in den Bet­ten dieses „aufgek­lärten Milieus“ vor sichge­ht. So ist das Erleben von Mit­gliedern link­er Szenen stark geschlechtlich getren­nt: während sich Män­ner frei her­aus um wichtige poli­tis­che Anliegen, Demos, Aktio­nen und Strate­gien küm­mern kön­nen, befind­en sich viele linke Frauen und Queers in einem ständi­gen Beziehungskampf um Anerken­nung, bege­hbare Räum­lichkeit­en und um ein soziales Net­zw­erk, in dem sie sich ein­fach nur sich­er aufhal­ten kön­nen. Diesen Kampf führen sie nicht sel­ten sog­ar gegeneinan­der.

Der Wider­spruch zwis­chen anti­sex­is­tis­chem Selb­st­bild und sex­is­tis­ch­er Leben­sprax­is liegt auch an der mas­siv­en Unter­schätzung der Tiefe, mit der sich sex­is­tis­che Gesellschaftsstruk­turen in Denken, Fühlen und Han­deln von uns allen ein­graben. Auch eine weit­ge­hende Unaufgek­lärtheit über psy­chol­o­gis­che Grund­la­gen stellt ein Hin­der­nis dar, um von pro­gres­siv­er Selb­stin­sze­nierung zu einem Han­deln fortzuschre­it­en, das sex­is­tis­che Nor­mal­itäten wirk­lich trans­formieren kann. Diese Diag­nose bezieht sich aus­drück­lich auch auf den sich als fem­i­nis­tisch wäh­nen­den Teil der Szene: mit Konzepten wie ein­er „sex­u­al­isierten Gewalt“, in der man kein­er­lei Sex­u­al­ität, jedoch auss­chließlich männlich­es Machthandeln zu erken­nen glaubt, wer­den real­is­tis­che Gegenkonzepte verun­möglicht. Entwed­er, sex­is­tis­ches Han­deln gilt als der­maßen dämonisch, dass man seinen Fre­un­den, Bekan­nten und sich selb­st solche Vor­würfe nicht zumuten möchte – oder, gren­züber­schre­i­t­ende Per­so­n­en wer­den als der­maßen dämonis­che Täter stig­ma­tisiert, dass ihr angestrebter Auss­chluss aus der Szene vor­wiegend der Gesichtswahrung der „anti­sex­is­tis­chen“ Kreise dient. So wer­den Betrof­fene fak­tisch allein gelassen und die Mitschuld der Szene an einem Sün­den­bock gesüh­nt, dem man sich mit­samt der eige­nen Ver­ant­wor­tung­prak­tis­cher­weise entledi­gen kann. Allein: in den meis­ten Fällen gelingt dieses Anliegen dann nicht ein mal, wodurch der Schaden für Betrof­fene umso größer wird und zu einem ekla­tan­ten Ver­trauensver­lust in soziale Beziehun­gen führt.

Im Vor­trag sollen psy­chol­o­gis­che und sozi­ol­o­gis­che Grund­la­gen hin­ter Phänome­nen wie sex­ueller und sex­u­al­isiert­er Gewalt geschärft und die beson­dere Bedeu­tung von Män­nern her­aus­gear­beit­et wer­den. Es wird sich zeigen, dass die Wider­sprüche, die die DNA des Konzepts der Männlichkeit­bilden, notwendig und immer wieder zu Angrif­f­en auf Frauen, Trans, Schwule, Les­ben, Nicht­binäre usw. führen müssen. Beson­ders per­fide: der­lei Angriffe wer­den oft nicht mal bewusst als solche geplant und durchge­führt, son­dern ergeben sich unter­halb der Schwelle des Bewusst­seins aus ein­er archais­chen Nor­mal­ität, der nie­mand von uns gän­zlich zu ent­fliehen ver­mag. Im Vor­trag wird darum für eine anti­sex­is­tis­che Prax­is plädiert, die Kon­sen­su­al­ität füralle Lebens­bere­iche vorschreibt und gelin­gende Beziehungsar­beit und vorauss­chauende Ver­ant­wor­tung in Beziehungsnet­zw­erken gegenüber Aware­ness-und Unterstützer*innengruppen vorzieht. Das Bild des Täter-Dämons müsste dann erset­zt wer­den durch die Ein­sicht in die tiefe per­sön­licheV­er­strick­ung, die wir alle mit­brin­gen – als sel­ber gren­züber­schre­i­t­ende Per­son ein­er­seits und als sozialer Fak­tor ander­er­seits, als der wir die Über­nahme von Ver­ant­wor­tung hem­men und abwehren. Sei es, weil wir Täter schützen oder sei es, weil wir sie zur Hölle jagen wollen.

Wir pla­nen die Ver­anstal­tung vor Ort (Carl-Zeiss-Str.3, Hör­saal 2) durchzuführen. Da wir auf Grund des Hygien­e­plans der Uni­ver­sität nur begren­zt Plätze (~80) anbi­eten kön­nen, wür­den wir bit­ten verbindlich für die Ver­anstal­tung zuzusagen. Dies kön­nt ihr hier bei der Face­book-Ver­anstal­tung oder per Mail an tun.

Die Ver­anstal­tung wird vom Arbeit­skreis “Präven­tion und Inter­ven­tion Sex­ueller Gewalt” der Falken Jena und eini­gen Genossen aus der sich ger­ade gegrün­de­ten antipa­tri­ar­chalen Män­ner­gruppe Jena organ­isiert. Sie bildet den Auf­takt ein­er kleineren Ver­anstal­tungsrei­he zum The­ma “Sex­uelle Gewalt und Männlichkeit” zur der in Kürze weit­ere Infor­ma­tio­nen fol­gen.

Datum:

23. Okto­ber 2020    

Zeit:

18:00–21:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Uni Jena, Hör­saal 2
Carl-Zeiss-Strasse 3
Jena

Veranstalter*in:

Veranstaltungslink: