7. Mai 2019 | 18:30–20:00
Jena sollte als Stadt, in welcher der „Nationalsozialistische
Untergrund“ (NSU) entstand, wo seine Kernmitglieder und
Unterstützter*innen aufwuchsen, dringend diesen Teil der Stadtgeschichte
sichtbar machen und aufarbeiten. Ein wichtiger und allererster Schritt
dafür wäre das Gedenken an die Opfer.
Dafür liegt gegenwärtig ein guter Vorschlag vor: Erst vor kurzem hat
sich der Ortsteilrat in Jena-Winzerla nach einer Bürger*innenbefragung
dafür ausgesprochen, einem neu gestalteten Platz an der
Max-Steenbeck-Straße den Namen „Enver-Şimşek-Platz“ zu geben. Warum die
Benennung nach Enver-Şimşek? Er war das erste Opfer der Mord- und
Anschlagsserie des NSU, der 10 Tote zum Opfer fielen. Nach unserem
Kenntnisstand begrüßt auch die Familie Şimşek diesen Schritt. Winzerla
ist der Ortsteil von Jena, in dem Mitglieder und Unterstützer*innen des
späteren NSU sozialisiert wurden, wo sie im Jugendclub akzeptiert waren
und Überfälle ausübten. Und bis heute erinnert in diesem Stadtteil
nichts an die Opfer des NSU und anderer rassistischer und faschistischer
Übergriffe.
Doch die Stadtverwaltung und der Oberbürgermeister sprechen sich gegen
den demokratisch legitimierten Vorschlag der Platzbenennung mittels
nicht haltbarer Argumente aus. Auf den zivilgesellschaftlichen Impuls
zur Sichtbarmachung rassistischer Gewaltopfer geht die Stadt nicht ein.
Zunächst hat die Stadt argumentiert, eine Umbenennung würde zu viel
bürokratischen Aufwand für Gewerbetreibende am Platz bedeuten. Doch
zumindest der Supermarkt am Platz begrüßt die Umbenennung in
„Enver-Şimşek-Platz“ ausdrücklich.
Begründungen wie der zu große bürokratische Aufwand für Gewerbetreibende
werden auch in anderen Städten immer wieder vorgetragen, wenn Straßen-
und Platzumbenennungen gefordert werden, weil die alten Namen an
Kolonial- oder NS-Verbrecher*innen erinnern. Solche Umbenennungen sind
wichtig, denn Städte- und Straßennamen prägen das Bewusstsein und
Alltagsleben der Stadtbewohner*innen, geben Orientierung im räumlichen
und historischen Sinn und sind v.a. Ausdruck dessen, an welche Personen
und Ereignisse eine Gesellschaft erinnert. Die Benennung des
„Enver-Şimşek-Platz“ wäre ein sinnvoller und wichtiger Schritt,
Gedenkorte für die Opfer des NSU zu schaffen. Gerade in Winzerla, gerade
in Jena wäre es dringend an der Zeit, dies zu tun. Der städtische
Gegenvorschlag eine Gedenkplakette an einem Jenaer Jugendclub
anzubringen, wird dem ursprünglichen Anliegen nicht mehr gerecht. Er
verengt die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung im Handeln
gegen extrem rechte Gewalt.
Die Stadt widerspricht sich selbst, indem sie — wenn schon eine
Umbenennung kommen soll — den beliebig anmutenden Namen „Platz der
Demokratie“ vorschlägt. Dies ist besonders zynisch, weil sie damit den
demokratischen Entscheidungsprozess vor Ort übergeht.
Wir fordern die Stadt auf, die Umbenennung in „Enver Şimşek-Platz“
unverzüglich umzusetzen!
Daher rufen wir zur kritischen Begleitung der Sitzung des
Kulturausschusses am 07.05., 18.30 Uhr, am Jenaer Volksbad auf!
Gruppen Decolonize Jena und NSU-KOMPLEX AUFLÖSEN Jena