18. Juni 2024 | 19:00
Liebe Interessierte,
das JuFo Jena lädt herzlich ein zum Vortrag & Diskussion “Revolution ohne Juden? Antisemitismus in emanzipatorischen Bewegungen” mit der Politikwissenschaftlerin Luise Henckel
Wann: Dienstag | 18. Juni | 19:00
Wo: Carl-Zeiß-Straße 3 | Jena | HS 5
Im Anschluss an den 7. Oktober 2023 wurde sich in deutschen Zeitungen wieder einmal über die Verbreitung eines ‚linken‘ Antisemitismus gewundert. Die Erkenntnis, dass Judenhass in all seinen Formen – vom Verschwörungsglauben bis zum antisemitisch agitierenden Antizionismus – keinesfalls Alleinstellungsmerkmal reaktionärer oder autoritärer Gruppierungen und Ideologien ist, sondern auch bei vermeintlich an Emanzipation und Freiheit Interessierten häufig und gerne auftritt, ist zwar schon etwas angestaubt, wurde in den Monaten nach dem Terroranschlag der Hamas aber wieder frisch feuilletonistisch aufgewärmt.
Das ist nicht unbedingt verwunderlich, folgte auf das Massaker vom vergangenen Oktober neben dem oft so betitelten „dröhnenden“ Schweigens der globalen Linken schließlich auch allerlei Solidaritätsbekundungen: Aber eben nicht mit den jüdischen und israelischen Opfern, sondern mit den islamistischen Tätern und dem bewaffneten „Befreiungskampf“ der Palästinenserinnen und Palästinenser. In kaum zu leugnender Klarheit wurde dabei offensichtlich, dass Errungenschaften progressiver Politik und erkämpfter linker Konsens nur zu gerne aufgegeben werden, wenn es um den jüdischen Staat und seine Bewohnerinnen geht. Während die journalistische Berichterstattung über diesen ‚Judenknax‘ linker Bewegungen mal zu inflationärer Verallgemeinerung (‚Antisemitismus ist für alle da‘) oder zur Rettung der bürgerlichen Mitte (Hufeisentheorie) neigt, hat die Antisemitismusforschung weiterhin erschreckend wenig zur Reproduktionsdynamik des ‚progressiven‘ Antisemitismus zu sagen. ‚Renommierte Antisemitismusforscher‘ wie Wolfgang Benz sehen sich weiterhin berufen die Linke als „ideologisch an sich nicht antisemitisch“ zu verteidigen, während solchem Desinteresse eine selbst schon leicht wahnhafte Beweisführung anhand aneinandergereihter antisemitischer Befunde in linkspolitischen Bewegungen gegenübergestellt wird.
Welche Rolle, Funktion, Momentum erfüllt jetzt aber der Antisemitismus in emanzipatorischen Bewegungen? Ist er integraler Bestandteil der Welterklärung, anachronistischer Rest tradierter Imperialismustheorie, falsche Verkürzung oder Krisenerscheinung?
Der Vortrag versucht diese Fragen zu beantworten und rückt dabei den notwendigen Zusammenhang zwischen emanzipatorischer Bewegungsgeschichte und der Entwicklung des Modernen Antisemitismus in den Vordergrund. Grundannahme ist dabei, dass eine aneinandergereihte Darstellung von Befunden des antisemitischen Ressentiments genauso wenig hinreichend dafür sein kann, den (linken) Antisemitismus auf den Begriff zu bringen, wie eine losgelöst von historischer Erfahrung formulierte Theorie, die schließlich zu herunterzubetenden Merksätzen verkommen muss