Solidarität mit den inhaftierten Frauen* und Gewerkschafterinnen!

8. März 2017 | 15:00

Frauen*kampftags-Demo der Gefan­genengew­erkschaft zum Frauen*knast von Chem­nitz

Am acht­en März, dem “Inter­na­tionalen Frauen*tag” wird alljährlich dazu aufgerufen, Frauen* Blu­men zu schenken. An unsere inhaftierten Kol­legin­nen und Genossin­nen denkt dabei kein­er. Wir wollen aber auch gar nicht, dass man ihnen Blu­men schenkt, son­dern wir wollen den geset­zlichen Min­dest­lohn für die Inhaftierten, volle Ein­beziehung in die Sozialver­sicherun­gen und kom­plette Gew­erkschafts­frei­heit auch hin­ter Git­tern sowie ein Ende der Gewalt gegen Frauen*! Diese Anliegen wer­den wir am Frauen*kampftag in Chem­nitz auf die Straße tra­gen. Wir wer­den vom Haupt­bahn­hof zur JVA Chem­nitz ziehen und damit unsere Sol­i­dar­ität mit der frischge­grün­de­ten GG/BO-Sek­tion in der Frauen*haftanstalt zum Aus­druck brin­gen.

Gew­erkschaftlich­er Kampf hin­ter Git­tern

Seit Mai 2014 organ­isieren sich Gefan­gene in der Gefange­gengew­erkschaft. Was in der JVA Tegel ver­such­sweise begann, weit­ete sich schnell in Haf­tanstal­ten in der ganzen Repub­lik und wenig später auch in Öster­re­ich aus. Die Mehrheit der Mit­glieder sind Män­ner*. Das liegt unter anderem daran, dass der Großteil der Inhaftierten männlich ist. Doch schon im Juli 2015 grün­dete sich in der Frauen*haf­tanstalt Willich II die erste GG/BO Sek­tion in einem Frauen*knast und nun ist Chem­nitz dazugekom­men.

Die heutige JVA für Frauen* Chem­nitz wurde 1969 in Plat­ten­bauweise am Stad­trand von Chem­nitz errichtet. Als 2001 der DDR-Frauen*knast Stoll­berg geschlossen wurde, wur­den die Frauen* in die JVA Chem­nitz ver­legt. Heute wer­den über 250 Frauen* aus Thürin­gen und Sach­sen hier fest­ge­hal­ten. Davon ent­fall­en 14 Haft­plätze auf den Jugen­dar­rest und 5 auf die Mut­ter-Kind-Sta­tion. Bis zum Alter von drei kön­nen inhaftierte Frauen* ihre Kinder mit in die JVA nehmen. In der Regel gibt es auf der Mut­ter-Kind-Sta­tio­nen zu wenig Plätze, um den Bedarf zu deck­en.

Die Arbeitssi­t­u­a­tion der weib­lichen Inhaftierten unter­schei­det sich nur unwesentlich von der ihrer männlichen Kol­le­gen. Wie in allen JVAs wer­den auch die Frauen* in Chem­nitz unter einem Zwangsar­beit­sregime zu Löh­nen von ca. 1 bis 2 Euro die Stunde ohne Sozialver­sicherungszahlun­gen in anstalt­seige­nen und exter­nen Unternehmer­be­trieben aus­ge­beutet. Eine Kol­le­gin von drin­nen schreibt dazu: „Ne Menge Baustellen gibt’s natür­lich immer noch. Was mir per­sön­lich ein Dorn im Auge ist, sind natür­lich die Per­son­al­prob­leme und der damit ver­bun­dene Ein­schluss, dann die Bestra­fungsak­tio­nen bei Nichtar­beit. Hab selb­st ger­ade Fasching [Streß] wegen Betrieb­swech­sel. Es gibt aber auch Mädels, denen geht’s noch nicht gut. Die wer­den ein­fach ner Arbeit zugewiesen und wenn se nicht gehen, gibt’s kein Taschen­geld, Ein­schluss usw.“ In vie­len Betrieben ist die Arbeits­be­las­tung so hoch, dass die Gesund­heit der Frauen* erhe­blich darunter lei­det: „Die Arbeits­be­din­gun­gen sind halt echt krass,weil sie IMMER NOCH der Norm der Män­ner, die seit 2008 nicht mehr da sind, angepasst sind. Hab das damals in dem Betrieb, wo es echt keine leichte Arbeit ist, schon etwas drosseln kön­nen, aber ist immer noch ne heftige Anforderung. Ich hat­te 7 Sehnen­schei­de­nentzün­dun­gen + Band­scheiben­vor­fall dadurch. Da weißte, was geht. Kom­plet­tierung ist auch heftiger Zeit­stress. War da bis vor 2 Wochen: ganzen Tag ste­hen und ja keine Sekunde nach­hän­gen. Hab och gewech­selt deshalb.“

Stop­pen wir die Gewalt gegen Frauen*!

Ger­ade die inhaftierten Frauen* in Chem­nitz und ander­swo haben schlimme Gewal­ter­fahrun­gen gemacht. Eine Kol­le­gin von drin­nen schrieb zu unser­er „Schnap­sidee“, in Chem­nitz eine Demo zu machen: „Finde deine „Schnap­sidee“ gar nicht so schnap­sig. Im Gegen­teil, war regel­recht baff über so ne Idee. Ger­ade an einem Ort wie hier, wo viele Frauen aufeinan­dertr­e­f­fen und sich viel erzählen, weil sie zum ersten Mal ohne Angst reden kön­nen, merkt man eigentlich, wie all­ge­gen­wär­tig diese The­men wie häus­liche Gewalt, Ver­stüm­melun­gen, Verge­wal­ti­gun­gen, alleinige Kinder­erziehung usw. sind. Ich denke aber auch, dass es ein sehr schwieriges The­ma ist. Weißte, ich hab auch schon so oft bis zur Notauf­nahme in die Fresse bekom­men und erst im Knast mit­bekom­men, wie Vie­len es eigentlich genau­so geht, aber dage­gen vorge­gan­gen bin ich nie! Ich denke, dass – egal in welchen Fällen – die Angst da über­wiegt. Hab mich heute lange aufm Hof mit ein­er unter­hal­ten. Sie find­et so eine Idee auch echt ne mega gute Sache. Sich hier drin zusam­men­zuschließen ist aber eine Sache. Was ist aber draußen? Viele müssen zu ihren Typen zurück und haben von nie­man­dem Rück­halt und haben halt Angst, dass, wenn sie rauskom­men und so’n Typ erfährt, dass sie in Haft den Mund aufgemacht haben, sie dann gle­ich wieder alles aus­baden müssen. Aus eigen­er Erfahrung weiß ich, dass Frauen­häuser, Polizei, die auch nur ein Annäherungsver­bot aussprechen, oder andere Ein­rich­tun­gen keine wirk­liche Lösung sind und man alles andere als sich­er ist, wenn man über­haupt bis dahin kommt. Du siehst, es ist ein schwieriges The­ma. Wenn wir uns hier zusam­men­tun zwecks Arbeits­be­di­gun­gen und all­ge­meine Haftverbesserung sind da echt viele dabei, aber ich denke, das sind zwei ganz gravierende Baustellen. Per­sön­lich sehe ich deine Idee pos­i­tiv, weil man ja ger­ade, wenn man sieht „hey, da gehen welche extra auf die Straße, die sich für solche Dinge stark machen“ man vielle­icht auch Mut schöpft und sagt „Ich will das nicht nochmal!““

Bei den Frauen* in der JVA Chem­nitz ver­schränken sich die ökonomis­che Aus­beu­tung von und männliche  Gewalt gegen Frauen*. Auch bei uns in der BRD wer­den vor allem Men­schen aus der Unter­schicht und den ärm­sten Teilen der Arbeiter_innenklasse im gefäng­nis-indus­triellen Kom­plex fest­ge­hal­ten und aus­ge­beutet. Das trifft auch auf die Frauen* in der JVA Chem­nitz zu. Auf­grund dieser Klassen­lage sind sie ökonomisch oft in beson­ders hohem Maße von ihren Part­nern abhängig und damit der männlichen Gewalt aus­geliefert. Viele Frauen* müssen nach dem Knas­taufen­thalt zu densel­ben Män­nern zurück, die sie schla­gen, mis­shan­deln und erniedri­gen. Wie die Kol­le­gin schreibt, ist der Staat nicht in der Lage, den betrof­fe­nen Frauen* wirk­lich zu helfen. Deswe­gen ist es wichtig, selb­stor­gan­isierte und autonome Struk­turen und Net­zw­erke aufzubauen, in denen Betrof­fene Unter­stützung find­en und gemein­sam für die Verbesserung ihrer Lage kämpfen kön­nen. Die Gefan­genengew­erkschaft ist eine solche Organ­i­sa­tion, vor allem in Bezug auf die Arbeits- und Haftbe­din­gun­gen. Darüber hin­aus freuen wir uns über Zusam­me­nar­beit mit und Unter­stützung von fem­i­nis­tis­chen Grup­pen und kön­nen zwis­chen ihnen und nach drin­nen ver­mit­teln.

Unter­stützen wir Transper­so­n­en und queere Men­schen im Wider­stand gegen den Knast

Das Gefäng­nis ist ein Ort streng­ster Geschlechtertren­nung. Men­schen, die nicht in die starre Geschlechterord­nung von Mann und Frau passen, z.B. queere¹,Trans‑² und Inter­per­so­n­en³, haben keine Wahl, in welchen Knast sie gesteckt wer­den, son­dern wer­den je nach dem Geschlecht im Per­son­alausweis zugeteilt. Dort wer­den sie oft diskri­m­iniert und sind nicht sel­ten beson­der­er Gewalt aus­ge­set­zt. So wer­den beispiel­sweise Trans-Frauen* in den Män­nerk­nast gesteckt und müssen dort gegen die Trans-Feind­schaft und Über­griffe der Wärter und Mithäftlinge ankämpfen. Das bet­rifft z.B. die Gefan­genen Kara Wild in Frankre­ich, Tol­ga Erkuşan, Mah­mut Yavuz und Esra Arıkan in der Türkei, Mar­ius Mason, Niara, Chelsea Man­ning und Ky Peter­son in den USA.

Kommt Alle am 8. März nach Chem­nitz!

Beginn der Kundge­bung am 8. März 2017 um 15:00 Uhr am Haupt­bahn­hof Chem­nitz!

In Sol­i­dar­ität!
Nan­cy Rhein­län­der, GG/BO-Sprecherin der JVA Chem­nitz
GG/BO-Soli­gruppe Jena

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Wir wür­den uns freuen, wenn sich Viele an unser­er Demo beteili­gen. Ihr kön­nt gerne eigene Aufrufe zur Demo und Gruß­worte schreiben – die Gruß­worte aber bitte nicht zu lang und zu the­o­retisch. Die Texte müssen sich nicht nur um den Knast drehen, son­dern kön­nen sich auch auf andere fem­i­nis­tis­che oder arbeit­skämpferische The­men beziehen. Am besten schreibt ihr uns vorher unter ggbo-soli-jena@riseup.net eine Mail, damit wir die Beiträge sam­meln und mod­erieren kön­nen. Alle Aufrufe und Gruß­worte wer­den wir an die Sprecherin der GG/BO in die JVA Chem­nitz rein­schick­en.

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* mit dem Sternchen soll sowohl darauf hingewiesen wer­den, dass Frauen nicht als Frauen geboren, son­dern dazu gemacht wer­den als auch dass sich ver­schieden­ste Men­schen als Frau begreifen und/oder als solche behan­delt wer­den, z.B. Trans-Frauen, Inter-Per­so­n­en und andere.

¹ queer ist eine Selb­st­beze­ich­nung all der Men­schen, die nicht in das klas­sis­che Mann-Frau-Schema passen und sich auch nicht in andere Kat­e­gorien einord­nen wollen.

² Trans sind Men­schen, die sich einem anderen Geschlecht zuge­hörig fühlen, als ihnen bei der Geburt zuge­ord­net wurde.

³ Inter­per­so­n­en sind Men­schen, die nicht ein­deutig einem Geschlecht zuge­ord­net wer­den kön­nen, also z.B. anatomis­che Merk­male bei­der anerkan­nter Geschlechter aufweisen. Sie wer­den oft noch als Säuglinge zwang­soperiert, um sie klar einem Geschlecht zuord­nen zu kön­nen, und dabei ver­stüm­melt.

Die Kämpfe verbinden: Am Frauen*kampftag zur Knastdemo nach Chemnitz!

Gemein­sam mit unseren Freund_innen der Jenaer Soli­gruppe der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organ­i­sa­tion (GG/BO) mobil­isieren wir am 08. März nach Chem­nitz, um dort für die volle Gew­erkschafts­frei­heit hin­ter Git­tern, den Min­dest­lohn für alle arbei­t­en­den Gefan­genen und deren Ein­beziehung in die Sozialver­sicherung einzutreten. Es gilt mehr Aufmerk­samkeit für die beson­dere Sit­u­a­tion von inhaftierten Frauen* zu schaf­fen und diese in ihrem Kampf gegen die widri­gen Bedin­gun­gen vor Ort zu unter­stützen!

Hier find­et ihr den voll­ständi­gen Demoaufruf: https://gefangenensolijena.noblogs.org/post/2017/02/14/solidaritat-mit-den-inhaftierten-frauen-und-gewerkschafterinnen/

Es gibt einen Bus für die gemein­same Anreise aus Jena: Für mehr Infos oder Tick­et-Reservierun­gen schreibt uns eine Mail oder kommt Fre­itags ins Info­cafe im Info­laden (15–18 Uhr).

PEKARI — Linke Basis­gruppe Jena

Datum:

8. März 2017    

Zeit:

15:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Chem­nitz Haupt­bahn­hof
Bahn­hof­s­traße 1
Chem­nitz

Veranstalter*in:

Veranstaltungslink: