»… versunken im Schlamm des Trauerbachs«

12. Oktober 2017 | 20:00–23:00

»Linke Melan­cholie« und rev­o­lu­tionäre ästhetis­che Prax­is — Vor­trag von Antje Géra

»Linke Melan­cholie« ist eine Diag­nose, die ger­ade in Krisen­zeit­en emanzi­pa­torisch­er Prax­en schnell zur Hand ist. In Beru­fung auf das von Wal­ter Ben­jamin in den 1930er Jahren geprägte Schlag­wort erklin­gen Kla­gen über einen Man­gel an »Aktivis­mus«, den Rück­zug aus gesellschaftlichen Gefecht­en »der Straße« in Selb­st­be­spiegelungs­diskurse, »pas­sives Lesekreisen« und (pop-)kulturelle Jam­mertäler. Was sich der Umwälzung ver­schrieben habe, sei durch eine Rück­wärts­ge­wandtheit bes­timmt, die sich in nos­tal­gis­chem Schwel­gen in über­holten Tra­di­tio­nen und melo­drama­tis­chem Suhlen in Nieder­la­gen emanzi­pa­torisch­er Bewe­gun­gen äußere. Von ein­er »wirk­lichen Bewe­gung« keine Spur – nur unwirk­samer Still­stand und eine einzige Mis­ere aus Pes­simis­mus, Nihilis­mus und Utopiev­er­lust. Als Haup­tü­bel wird ein ästhetis­ch­er Eskapis­mus iden­ti­fiziert, der zu »poli­tis­ch­er Hand­lung­sun­fähigkeit« führe. Gemein­sam ist diesen Kri­tiken die Forderung nach ein­er poli­tis­chen Prax­is, welche die Melanc
holie über­winde und die Kun­st in den Dienst eines poli­tis­chen Aktivis­mus stelle.

Anliegen des Vor­trages wird nicht sein, über die Angemessen­heit der zeit­di­ag­nos­tis­chen Momente dieser Auf­fas­sun­gen Urteil zu sprechen. Vielmehr wird dem Ver­dacht nachge­gan­gen, dass sie nicht nur mit einem unterkom­plex­en Ver­ständ­nis von Melan­cholie operieren, son­dern zudem phan­tas­ma­tis­che Erzäh­lun­gen über die Wirk­samkeit poli­tis­chen Wider­standes und instru­mentelle Mod­el­lierun­gen des Ver­hält­niss­es von Kun­st und Poli­tik pro­duzieren. Dabei wird sich ger­ade in ein­er Kon­tex­tu­al­isierung der Benjamin’schen Bezug­nahme auf Melan­cholie im All­ge­meinen und auf »linke Melan­cholie« im Beson­deren eine andere Tra­di­tion des Melan­cholie-Topos ausweisen lassen. Diese Tra­di­tion führt von Karl Marx über Wal­ter Ben­jamin, Guy Debord und Peter Weiss hin zu Mark Fish­er und aktuellen fem­i­nis­tis­chen Konzep­tio­nen von Melan­cholie als Wider­stand. Indem in dieser Tra­di­tion die Auseinan­der­set­zung mit melan­cholis­chen Aus­drucks­for­men eine tra­gende Rolle in selb­stkri­tis­chen Reflex­io­nen poli­tis­ch­er Prax­en spi
elt, deutet sich an, inwiefern »linke Melan­cholie ein unverzicht­bares Moment ein­er Auf­fas­sung von Wider­stand sein kön­nte, welch­es diesen radikal als poli­tisch-ästhetis­che Prax­is ver­ste­ht.

Antje Géra forscht zu ein­er kri­tis­chen The­o­rie der Bildlichkeit, melan­cholis­ch­er Kri­tik und einem philosophis­chen Begriff von Wider­stand. Gemein­sam mit anderen Mitar­bei­t­erin­nen etabliert sie fem­i­nis­tis­che Lehre und Forschung am Insti­tut für Philoso­phie Hildesheim. Sie lebt in Ham­burg.

Der Vor­trag find­et statt im Rah­men der Ver­anstal­tungsrei­he “Kun­st, Spek­takel & Rev­o­lu­tion”. Die Rei­he ist ein Koop­er­a­tionspro­jekt des Bil­dungskollek­tivs mit der ACC Galerie Weimar und wird gefördert von der Rosa-Lux­em­burg-Stiftung Thürin­gen.

Datum:

12. Okto­ber 2017    

Zeit:

20:00–23:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

ACC Galerie
Burg­platz 1
Weimar

Veranstalter*in:

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