Vom prophetischen Schrecken der Revolution

21. September 2017 | 20:00–23:00

Über Kafkas »Der Prozess« — Vor­trag von Niko­lai Bersarin

Als Franz Kaf­ka am 13. August 1912, bei Max Brod zu Gast, seine spätere Ver­lobte Felice Bauer traf, sah es zunächst nicht nach dem Beginn ein­er großen Liebe aus. »Knochiges leeres Gesicht, das seine Leere offen trug«, notierte Kaf­ka eine Woche nach dieser Begeg­nung in sein Tage­buch. Doch aus dieser Liai­son ging ein­er der gewaltig­sten Romane der Lit­er­atur her­vor. Die (ver­meintliche) Leere dieses Gesichts wurde in gewaltiger Prosa aus­geschrieben. Wieweit sich in diesem Kon­text Biogra­phie und Schreiben ver­schränken, soll jedoch nur am Rande The­ma des Vor­trags sein. Vielmehr geht es darum, mit Kafkas »Prozess« die beson­deren Züge sein­er Lit­er­atur darzustellen – näm­lich eine Rev­o­lu­tion der Poet­ik und des Schreiben. Das noch junge Medi­um Film hielt genau­so in den Roman Einzug wie Pho­togra­phie und The­ater. Mit Adorno kann man bei Kafkas Prosa von Gesten aus Begrif­f­en sprechen. Das Spez­i­fis­che dieser Prosa wird The­ma des Vortags sein: sowohl die Form des Frag­ments, die Verquick­un
g von Biographis­chem und Fik­tion und eben­so, dass jene Rev­o­lu­tion, die gesellschaftlich bere­its in der Luft lag, sich auch in der Lit­er­atur aus­bre­it­ete und die Avant­gar­den erfasste, soll anhand von Kafkas »Prozess« gezeigt wer­den. Worauf wir bei der Lek­türe Kafkas stoßen, ist eine Rev­o­lu­tion des Schreibens und Erzäh­lens. Ein neuer Real­is­mus kon­sti­tu­ierte diese Lit­er­atur. Ein Real­is­mus, der den Schreck­en des Jahrhun­derts wie auch die Fragilität von Sub­jek­tiv­ität prophetisch vor­weg­nahm und in lit­er­arische Bilder ban­nte.

Bersarin, Jahrgang 1964, studierte Philoso­phie, Sozi­olo­gie, Ger­man­is­tik und neben­her Kun­st­geschichte. Er lebt und arbeit­et in Berlin, ist tätig im Ver­lagswe­sen und beschäftigt sich mit der Philoso­phie und Ästhetik der Mod­erne sowie der Post­mod­erne. Ins­beson­dere die Philoso­phie Kants, Hegels, Adornos und Ben­jamins wie auch Posi­tio­nen des Franzö­sis­chen Post­struk­tu­ral­is­mus gehören zu seinem Arbeits­feld. Er betreibt den Blog »Ais­the­sis« und macht Fotos, die er zuweilen hier zeigt. In KSR N°3 schrieb er »Über die Geschmacks­bil­dung in der Kun­st«. In KSR N°4 schrieb er über »Hölder­lin in der geschicht­sphilosophis­chen Per­spek­tive von Georg Lukács und Theodor W. Adorno«.

Der Vor­trag find­et statt im Rah­men der Ver­anstal­tungsrei­he “Kun­st, Spek­takel & Rev­o­lu­tion”. Die Rei­he ist ein Koop­er­a­tionspro­jekt des Bil­dungskollek­tivs mit der ACC Galerie Weimar und wird gefördert von der Rosa-Lux­em­burg-Stiftung Thürin­gen.

Datum:

21. Sep­tem­ber 2017    

Zeit:

20:00–23:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

ACC Galerie
Burg­platz 1
Weimar

Veranstalter*in:

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