28. November 2024 | 18:00–20:00
Autoritarismus bezeichnet zunächst ein Bündel antidemokratischer Einstellungen. Dazu gehören Nationalismus, Rassismus, Sexismus, Misogynie, Antisemitismus, Antiziganismus und Homo- und Transfeindlichkeit. Diese Einstellungen basieren auf bestimmten psychischen Dispositionen im Individuum wie Stereotypie, Konventionalismus und Rebellion, Machtinteresse und Unterwerfungsbereitschaft, Destruktivität, individuellen und kollektiven Narzissmus und Aberglaube. Die antidemokratischen Einstellungen gehen nicht auf rationale politische Urteilsbildung oder materielle Interessen zurück, sondern sind Ergebnis unbewusster Prozesse, die stark affektiv besetzt sind. Autoritarismus ist ein Bewältigungsversuch innerer Konflikte, die lebensgeschichtlich entstanden sind.
Der Vortrag stellt zunächst den autoritarismustheoretischen Zugang zum Problem dar und vergleicht ihn mit anderen wie Nationalradikalismus, Rechtsextremismus und ‑populismus. Sodann vergleicht er den autoritären mit anderen psychischen Verarbeitungsmustern. Im zweiten Teil geht es um mögliche biografisch vermittelte Ursprünge des Autoritarismus. Welche Beiträge zur Entstehung und Auslösung des autoritären Syndroms leisten Familie, Schule, Übergang und Arbeitswelt? Dabei liegt der Fokus besonders auf die Lebensphasen Jugend und junges Erwachsenenalter. In dieser Lebensphase kulminieren Herausforderungen und Krisen, die sich in den letzten Jahrzehnten verschärft haben. Und immer mehr Emerging adults nehmen das autoritäre Angebot zur Pseudolösung ihrer Probleme an.
Prof. Dr. Lutz Eichler – Professur für gesundheitsbezogene Soziale Arbeit an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf Niedergelassener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (TfP) in Frankfurt am Main
Passend zum Thema: Vater Staat und Mutterland. Autoritarismus als gescheiterte Triangulierung. In: Decker, O. & Türcke, C. (Hg.) (2019). Autoritarismus. Kritische Theorie und psychoanalytische Praxis. Psychosozial, 123–152
Jüngste Veröffentlichung: Zs. mit Andreas Fischer: Antijuvenilismus. Die Gen Z und ihre Verächter. In: Freie Assoziation 1/2024, 27.Jg., 125–135