12. Februar 2015 | 19:00
Esoterik zwischen Wissenschaftsanspruch, Ganzheitlichkeit” und völkischem Denken
“Esoterik” bezeichnet eine Unzahl von höchst unterschiedlichen Ideologien und Bewegungen von der Spätantike zum Spätkapitalismus. Im Vortrag mit anschließender Diskussion soll es um grundlegende Probleme esoterischer Weltanschauungen gehen. Dabei sollen auch gemeinsame Bezugspunkte und Schnittmengen esoterischer (Welt-)Erklärungsmuster mit rechtskonservativer
bis völkisch-antisemitischer Ideologie aufgezeigt werden.
Die moderne Esoterik ist ein Produkt der Welt, die sie hervorgebracht hat: Gegen die Zumutungen einer “kalten”, entfremdeten Moderne soll die Rückbindung an eine höhere Wirklichkeit und die Tiefen unseres Selbst Orientierung schaffen. Kein Wunder, dass esoterische Ideologien oft zugleich “Heil” und “Heilung” versprechen.
Zugleich kanalisiert Esoterik Religion in einer “entzauberten” Welt: Weil man an die Unsterblichkeit der Seele nicht mehr glauben kann, soll sie durch “höhere” Wissenschaft bewiesen werden, sollen die Geister direkt kontaktiert oder soll etwa die Aura fotografiert werden. So reproduziert Esoterik die verdinglichende Logik, gegen die sie protestieren will: Rationalistische Ansprüche und irrationale Gehalte gehen Hand in Hand.
Der esoterische Wunsch nach totaler Identität wird so zum Einfallstor für Irrationales jeder Herkunft. Antisemitismus, Antiamerikanismus und
Verschwörungstheorien erhalten sich in der Szene munter: Irgendwer muss ja schuld daran sein, dass es in der angeblich heilen Welt dann doch nicht mit rechten Dingen zugeht. Ökologische, völkische und esoterische Bewegung seit
dem 19. Jahrhundert vereint u.a. die Vorstellung einer Rückkehr zu Natur. Man will “im Einklang” sein mit einer “natürlichen”, gegebenen Weltordnung. Deren Proklamation verneint die Herstellbarkeit von Gesellschaft durch Menschen. Der “Einklang” fordert Identitätszwang und verneint Differenz.
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Der Referent Ansgar Martins studiert Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt am Main und arbeitet dort als studentischer
Mitarbeiter an der Martin Buber-Professur für jüdische Religionsphilosophie. Er hat zum Thema Esoterikkritik publiziert, vor allem zur Beziehung von Esoterik, Rassismus und Nationalsozialismus in der Geschichte der Anthroposophie.