Vortrag »Subjektive und objektive Momente physikalischer Erkenntnis

23. April 2015 | 19:00

Im Rah­men der Ver­anstal­tungsrei­he “Moral in der Wis­senschaft?” des Refer­ates für poli­tis­che Bil­dung an der TU Ilme­nau.

Im Sci­ence-Fic­tion schien die Gesellschaft ab und zu noch von ein­er anderen Gesellschaft zu träu­men, für die Maschi­nen zwar wichtig, aber weit­er­hin nur ein Mit­tel sind. Inzwis­chen star­rt sie fast nur noch auf die Potenz utopis­ch­er Tech­nik, die ihr dabei zum Selb­stzweck gerin­nt. Jede Utopie ist schal gewor­den, aber das Ver­sprechen ein­er kün­ftig voll­ständi­gen Beherrschung der Welt durch natur­wis­senschaftliche Erken­nt­nis und ihre Anwen­dung rauscht in schein­bar end­los­er Wieder­hol­ung über die Lein­wände. Der häu­fig erschüt­ternde Man­gel an dra­matur­gis­ch­er Phan­tasie lässt viel Platz für wis­senschaftliche Details und statt in wenig­stens unter­halt­same Geschicht­en wird lieber in immer detail­ge­treuere Com­put­eran­i­ma­tio­nen investiert. Aktuell führt der Film *Inter­stel­lar* die Zusam­me­nar­beit von Kul­turindus­trie und Natur­wis­senschaft vor, dessen kurze Analyse den Vor­trag über erken­nt­nis­the­o­retis­che Grund­la­gen der Physik motivieren wird. Die Hoff­nung auf eine allmächtige Tech­nik set­zt auf den mod­er­nen Aber­glauben, dass die Natur­wis­senschaften prinzip­iell eine voll­ständi­ge Beschrei­bung der Natur liefern kön­nten. Die Math­e­matik wird dabei nicht mehr für ein men­schlich­es Sym­bol- und Denksys­tem, son­dern für eine Art Schöp­fungscode oder lin­gua fran­ca der Natur gehal­ten. Doch natur­wis­senschaftliche Erken­nt­n­is­for­men sind nicht nur his­torisch ent­standen, son­dern hän­gen auch logisch von der Kon­sti­tu­tion der Gesellschaft ab. Natur­wis­senschaftliche Erken­nt­nisse als unmit­tel­bare Repräsen­ta­tion der Natur an sich auszugeben, ist daher eine Gestalt aktueller Ide­olo­gie. Ihre Entwick­lung lässt sich bei ihren Vor­läufern, bei der Entwick­lung der mod­er­nen Him­melsmechanik und anhand der heute noch eingeschränkt gülti­gen the­o­retis­chen Mechanik ver­fol­gen. Die the­o­retis­chen Wand­lun­gen der Mechanik während der Entste­hung und Blütezeit des Kap­i­tal­is­mus, die ihre immer bre­it­ere Anwen­dung erle­ichterten, weisen im Wider­spruch zur Ide­olo­gie aber deut­lich auf ihren Zusam­men­hang mit den gesellschaftlichen Entwick­lun­gen hin. Die Ein­stein­sche Rel­a­tiv­ität­s­the­o­rie erwies die klas­sis­che Mechanik dann als eine vor allem für kos­mis­che Maßstäbe ungenü­gende The­o­rie und entschleierte damit neben­bei zugle­ich einen ide­al­is­tis­chen Fehlschluss. Die auf Kant zurück­ge­hende klas­sis­che Vorstel­lung von Raum und Zeit als reinen For­men unser­er Anschau­ung wird durch die völ­lig kon­train­tu­itive aber sich immer wieder bei Beobach­tun­gen bewährende Verknüp­fung von Raum und Zeit wider­legt. Die Frage nach den Bedin­gun­gen der Möglichkeit von Erken­nt­nis stellte sich neu und fordert bis heute statt wis­senschaftlich ver­brämter Eso­terik und ein­er pos­i­tivis­tis­chen Physik, die sich von jen­er manch­mal nur noch müh­sam unter­schei­den lässt, eine mod­erne Erken­nt­niskri­tik.

Jörg Huber ist Physik­er und pub­liziert häu­figer in der Zeitschrift “Bahamas”.

Mehr: Vor­tragsrei­he “Moral in der Wis­senschaft?” (https://stura.tu-ilmenau.de/projekte/vortragsreihe)

Datum:

23. April 2015    

Zeit:

19:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

TU Ilme­nau, Hum­boldt-Hör­saal
Gus­tav-Kirch­hoff-Platz 1
Ilme­nau

Veranstalter*in:

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