16. Juli 2019 | 19:00
Der Idealismus spricht über Tiere nur, um die animalischen Wurzeln des Menschen zu verleugnen. Wer das menschliche Denken als eigentliches Dasein verabsolutiert, muss Gott herbeisehnen und damit immer schon die Allmachtsfantasie der Gottesebenbildlichen meinen. Das idealistische Denken setzt sich dem erkenntnistheoretischen Problem des Solipsismus aus, der alle Wahrnehmungen und Empfindungen und damit auch die Vorstellungen von Leid und Glück allein aus sich selbst heraus begreift. Daher wähnt der Idealismus die Verwirklichung der Freiheit ohne die Verwirklichung des Glücks. Dem Subjekt erscheint die Existenz der materiellen Welt und damit aller
anderen sinnlichen Wesen nur hypothetisch. Warum glauben wir von innen zu wissen, was Menschen fühlen und von außen, dass die als geistlos und weltarm verfemten Tiere nichts empfinden, das nicht der menschlichen Vernutzung geopfert werden dürfe?
Der Materialismus will die Welt entzaubern. Seine reduktionistische Fratze hat das Leibliche stets als bloßes Material missverstanden. Wer die Empfindungen und das Bewusstsein nurmehr auf mentale Repräsentationen eines deterministischen Wechselspiels physikalischer Reize und neurophysiologischer Prozesse zurückführt, entwickelt zwar eine Idee von den molekularen Grundlagen von Leid und Glück, hat aber keine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt und was es bedeutet zu empfinden. Empfindung will nicht seziert, sondern erlebt werden.
Der Vortrag exemplifiziert den Widerstreit zwischen Idealismus und Materialismus am Mensch-Tier-Verhältnis. Die Beziehung von Menschen und Tieren wird nicht zuletzt durch die gesellschaftliche Waren- und Rechtsform vermittelt. Es soll gezeigt werden, dass eine materialistische Kritik der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen und Tieren die leiblichen und mentalen Qualitäten leidens- und bewusstseinsfähiger Lebewesen und damit den Begriff des Glücks in den Mittelpunkt stellen muss. Die Annahme, dass der Schmerz alle kategorialen Unterschiede zwischen Menschen und Tieren einebnet und das ganze Leben derer aufsaugt, die er ergriffen hat, mündet in einem Plädoyer für die Solidarität mit den quälbaren Körpern.