Zum Zusammenhang von Dissens, Innerer Sicherheit und Außenpolitik in der VR China

27. Juni 2019 | 19:30–22:00

Auf der ersten Sitzung des 12. Nationalen Volk­skon­gress­es 2013 (5.–17. März) wurde die neue Führung um die Partei- und Staatschefs Xi Jin­ping und Li Keqiang gewählt. Die neue Führung löst die Regierung von Hu Jin­tao und Wen Jiabao ab, die seit 2003 über das Land geherrscht hat­te.

Der Nationale Volk­skongress war früher ein­mal ein Zus­tim­mungs­gremi­um zu den Beschlüssen der Partei und Staats­führung; in den let­zten 20 Jahren nah­men sich die Delegierten allerd­ings zunehmend die Frei­heit, zu disku­tieren und eigen­ständig zu denken. Den­noch bleibt der Volk­skongress ein Gremi­um mit beschränk­tem Ein­fluss.

Die neue Führung ste­ht vor vie­len Her­aus­forderun­gen, sowohl im Inland als auch im Ver­hält­nis zum Aus­land. Das inter­na­tionale Engage­ment Chi­nas im Rah­men von UN-Friedens­mis­sio­nen hat genau­so zugenom­men wie sein wirtschaftlich­es Engage­ment rund um den Globus. Längst ist Chi­na nicht mehr nur die Werk­statt der Welt, son­dern es wird immer öfter aufge­fordert, inter­na­tion­al eine aktive poli­tis­che Rolle zu spie­len. Chi­na ist eine der größten Volk­swirtschaften der Welt, somit bee­in­flusst seine Wirtschaft­sen­twick­lung zunehmend andere Län­der, u.a. in Afri­ka. Die Inter­de­pen­denz hat zugenom­men, und die Abhängigkeit­en in ein­er »glob­al­isierten Welt« machen vor Chi­na nicht Halt. Es ist dies auch ein Per­spek­tivwech­sel für die Führung in Bei­jing, die sich mit ständig neuen »Anforderun­gen« kon­fron­tiert sieht, denen sie entsprechen soll.

Viele Kon­flik­te lauern vor der Haustür. Die Span­nun­gen zwis­chen den bei­den Kore­as, von denen man geglaubt hat­te, sie mit den Sechs-Parteien-Gesprächen weit­ge­hend in friedliche Bah­nen gelenkt zu haben, befind­en sich auf dem Wege zur Eskala­tion. Die jüng­sten Dro­hun­gen Nord­ko­re­as, einen Krieg mit dem südlichen Teil vom Zaune zu brechen und die USA mit Atom­waf­fen anzu­greifen, sind unge­wohnte Her­aus­forderun­gen für die chi­ne­sis­che Diplo­matie. Die kleineren und größeren Gren­zkon­flik­te mit den Staat­en Südostasiens oder mit Indi­en sind weniger präsent, aber nicht gelöst. Die Stre­it­ereien um die Insel­grup­pen Sprat­ly und Paracels im Süd­chi­ne­sis­chen Meer und um die Diaoyu­tai-/Senkaku-Inseln im Ostchi­ne­sis­chen Meer sind weit ent­fer­nt von ein­er geregel­ten Kon­flik­tlö­sung. Mehr noch: Sie entwick­eln sich zu ver­i­ta­blen inter­na­tionalen Krisen­her­den mit Ten­denz zum gewalt­samen Kon­flik­taus­trag.

Diese Kon­flik­te haben Auswirkun­gen auf die Innen­poli­tik Chi­nas, da die Regierung sie instru­men­tal­isiert, um inneren Dis­sens zu überdeck­en oder bes­timmte Poli­tiken als legit­im durchzuset­zen. Der vom Staat zu diesem Zwecke ini­ti­ierte Nation­al­is­mus, so die These hier, braucht ständig neue Feind­bilder, um nach innen befriedend zu wirken und soziale Kon­flik­te zu überdeck­en. Innen­poli­tik und die Aus­gestal­tung von innerge­sellschaftlichen Dialo­gen entwick­eln sich daher immer mehr zum gewichti­gen Fak­tor bei der Gestal­tung der Außen­poli­tik – bis hin zur Frage, ob Chi­na bere­it ist, einen bewaffneten Kon­flikt mit einem sein­er Nach­bar­län­der zu führen, um dem nationalen Sed­i­ment wieder Halt zu geben.

Das W&F‑Dossier geht dieser Frage nach und legt dazu die prekäre innen­poli­tis­che Sit­u­a­tion unter dem Blick­winkel von Ord­nung und Inner­er Sicher­heit dar. Aus­ge­hend von einem kurzen Exkurs zu den Mech­a­nis­men chi­ne­sis­ch­er Poli­tik sollen die Ansatzpunk­te für Protest und Dis­sens auf ein­er struk­turellen Ebene Erwäh­nung find­en. In einem zweit­en Schritt sollen die Mech­a­nis­men des Staates ange­sprochen wer­den, mit Dis­sens umzuge­hen, und die Instru­mente, die ihm zur Repres­sion zur Ver­fü­gung ste­hen. Schließlich sollen die Rück­wirkun­gen dieser Poli­tik auf den Staat und seine Außen­poli­tik in den Fokus kom­men.

Es wird argu­men­tiert, dass das chi­ne­sis­che »Wirtschaftswun­der« durch eine umfassende Dezen­tral­isierung von Entschei­dungskom­pe­ten­zen ermöglicht wurde. Nun wird just die Dezen­tral­isierung zum Hemm­schuh für die effek­tive Bear­beitung der neg­a­tiv­en Auswirkun­gen dieser wirtschaftlichen Entwick­lung (klaf­fende Einkom­menss­chere, ver­heerende Umwelt­bi­lanz, etc.). Bei­jing set­zt vor diesem Hin­ter­grund auf den Nation­al­is­mus als eini­gen­des Ele­ment für eine auseinan­der­drif­tende Gesellschaft. Die Führung ver­sucht zudem, aufkeimenden Dis­sens mit Mit­teln der Repres­sion zu deck­eln, um Zeit für über­fäl­lige admin­is­tra­tive Refor­men zu gewin­nen. Damit schafft sie ein Kli­ma der Angst und Gewalt, was wed­er den Umgang mit inneren Prob­le­men noch mit äußeren Kon­flik­ten vere­in­facht.

Das voll­ständi­ge Dossier find­et sich unter:http://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?dossierID=077

Datum:

27. Juni 2019    

Zeit:

19:30–22:00

Veranstaltungskategorie/n:

Veranstaltungsort:

Offene Arbeit
Aller­heili­gen­str. 9, Hin­ter­haus
Erfurt

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